Kurz & bündig
- Landwirt Markus Götsch gräbt regelmässig mit dem Spaten in seinem Feld, um zu schauen, wie es dem Boden und den Organismen darin geht.
- Er weiss: Ein gesunder Boden liefert langfristig gute Erträge. Er achtet daher auf eine ausgewogene Düngung. Ausserdem sät er Gründüngungen an, um den Boden in der Zwischensaison zu schützen.
- An Bodenlebewesen interessiert ist auch Marcel van der Heijden. Der Agroscope-Forscher untersucht die Beziehungen der Kulturpflanzen zu den Bodenlebewesen.
- Landwirt und Forscher haben in einem Projekt zusammengearbeitet: Sie haben Unterhosen im Boden vergraben – zu Forschungszwecken.

Im Boden lebt eine unvorstellbar grosse Anzahl verschiedenster Organismen. Einzeln bringen sie kaum ein Gewicht auf die Waage. Aber sie sind so zahlreich, dass alle Bodenlebewesen einer Hektare zusammengerechnet zwischen 10 und 15 Tonnen wiegen.

Unter der Erdoberfläche ist diese beeindruckende Masse an Lebewesen oft nicht sichtbar und geht manchmal auch etwas vergessen. Um dies zu ändern, lancierte das Kompetenzzentrum Agroscope gemeinsam mit der Uni Zürich das Projekt «Beweisstück Unterhose» (siehe Kasten weiter unten).

Das Projekt war ein Erfolg: Rund 2000 Unterhosen wurden im ganzen Land im Feld oder Garten verbuddelt, nach einiger Zeit wieder ausgegraben und an die Agroscope geschickt. Die Unterhosen wurden im Boden von den Organismen angefressen.

Die halb zersetzten Unterhosen machten somit die Arbeit von Bakterien, Pilzen, Asseln, Milben, Springschwänzen und Co. sichtbar.

Gefrässige Bodenorganismen zersetzen Unterhosen

Landwirt Markus Götsch vergrub ebenfalls eine Unterhose in seinem Feld am Rand der Stadt Zürich. Nach dem ersten Monat sei das Kleidungsstück noch beinahe intakt gewesen, erinnert er sich. «Damals, im April, war der Boden noch etwas kalt und dementsprechend waren die Bodenorganismen noch nicht besonders aktiv», mutmasst Götsch. [IMG 3]

Als er die Unterhose einen weiteren Monat lang im Boden liess, fand er anschliessend bloss noch ein paar Fäden und den Gummizug vor. Der ganze Rest der Unterhose war von den Lebewesen im Boden gefressen worden.

«Ich war erstaunt über diese Zersetzung in kurzer Zeit. Gleichzeitig hat es mich auch gefreut», sagt Markus Götsch. Denn solch gefrässige, aktive Bodenorganismen sind ein Indikator für einen fruchtbaren Boden.

Viele Bodenorganismen, höherer Humusgehalt

AboAn einer frisch ausgegrabenen Ackerbohnen-Wurzel sind die Knöllchen der Stickstoff-fixierenden Bakterien zu sehen.«Fokus Boden»Bakterien, Pilze und Regenwürmer: Das faszinierende Leben im BodenDonnerstag, 26. Januar 2023 Das bestätigt Marcel van der Heijden, Forscher an der Agroscope: «Dort, wo viele Bodenorganismen vorkommen, waren auch die Humusgehalte eher höher. Und ebendieser Humus ist fruchtbar, weil er viele Nährstoffe für die Pflanzen enthält.» Diese Erkenntnisse ziehen van der Heijden und seine KollegInnen aus den Auswertungen der zurückgeschickten, zerfressenen Unterhosen. 

Die Biomasse im Boden ist extrem divers und kann dank dieser Biodiversität verschiedene Aufgaben für die Landwirtschaft erfüllen: Einige Organismen machen die Nährstoffe für die Kulturpflanzen verfügbar. Andere halten die Nährstoffe zurück, damit sie nicht ausgewaschen werden, drängen Krankheitserreger zurück oder optimieren die Bodenstruktur.

Für die Landwirtschaft ist wiederum interessant, wenn möglichst viel Humus mit möglichst aktiven Bodenorganismen auf dem Feld vorhanden ist.

Beweisstück Unterhose
2021 verschickte das Kompetenzzentrum Agroscope identische Baumwoll-Unterhosen an 1000 Schweizer Haushalte. Diese vergruben je zwei der Kleidungsstücke auf dem Feld oder im Garten. Nach einem respektive zwei Monaten gruben sie die Unterhosen wieder aus und schickten sie, zusammen mit einer Bodenprobe, an Agroscope zurück.

Aufschlussreiche Frass-Schäden
Beim «Beweisstück Unterhose» handelt es sich um ein sogenanntes Citizen Science-Projekt, bei dem mit Hilfe von BürgerInnen wissenschaftliche Daten erhoben werden. Initiiert wurde das Projekt vom Kompetenzzentrum Agroscope und der Uni Zürich, unter der Leitung von Franz Bender und Marcel van der Heijden (Agroscope).

Beim Vergleich von «Frass-Schäden» an der Unterhose mit der Bodenprobe konnte folgender Schluss gezogen werden: Je zerfressener die Unterhose, desto aktiver das Bodenleben und desto gesünder der Boden. Die Unterhose wird so zum Indikator für die Bodengesundheit.

Das offizielle wissenschaftliche Experiment wurde 2021 abgeschlossen. Wer will, kann den Unterhosen-Test individuell zu Hause durchführen. Es braucht dazu lediglich einen Spaten und zwei Bio-Baumwollunterhosen.

Informationen zu den Resultaten
Am 6. Februar 2023 laden die ForscherInnen zudem Interessierte an den Agroscope-Standort Reckenholz (Stadt Zürich) ein. Sie informieren über die Resultate des Projekts und diskutieren, wie wir dem Boden Sorge tragen können. Interessierte können sich bis am 3. Februar anmelden.

www.beweisstueck-unterhose.ch

Pilzfäden, die bis in die Pflanzenwurzel reichen

Dabei seien längst nicht alle Lebewesen Nützlinge, differenziert van der Heijden: «Natürlich gibt es in diesem Boden-Mikrobiom auch Organismen, die den Kulturpflanzen Schaden zufügen. So sind verschiedene Nematoden, Pilze und Bakterien als Krankheitserreger bekannt.»

Vielen Bodenorganismen seien die Pflanzen übrigens herzlich egal. Sie leben nebeneinander im Boden, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen.

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Von dieser Beziehung profitieren beide

Van der Heijden erforscht seit über 20 Jahren das Mikrobiom des Bodens. Als Leiter der Forschungsgruppe Pflanzen-Boden-Interaktion bei Agroscope und Professor für Agrarökologie an der Universität Zürich interessieren ihn insbesondere die Wechselbeziehungen zwischen den Bodenlebewesen und den Pflanzen. Sein Spezialgebiet: Mykorrhiza-Pilze. Diese Pilze gehen mit den Pflanzen eine Beziehung ein, eine sogenannte Symbiose.

Dabei profitieren beide. Die Pflanze betreibt oberirdisch Photosynthese und liefert dem Pilz Zucker und Fettsäuren. Der Pilz wiederum nimmt mit seinem Pilzfäden-Netzwerk im Boden Nährstoffe wie Phosphor auf, welche er der Pflanze liefert.

Die Pilze bilden mit fast allen Kulturpflanzen die Symbiose – ausser mit Zuckerrüben, Raps und Kohlarten. Diese Mykorrhiza-Pilze sind für die Landwirtschaft ertragsrelevant. Eine Impfung von 100 Maisfeldern mit entsprechenden Pilzen führte bei der Hälfte der Felder zu einem Mehrertrag, wie Marcel van der Heijden sagt.

Insbesondere, wenn pathogene Organismen im Boden vorhanden waren, hatten die Pilze einen positiven Effekt: Weil sie die krankmachenden Organismen zurückdrängten, so die These des Forschungsteams um van der Heijden.

Glossar
Humus: Als Humus wird die Gesamtheit der abgestorbenen organischen Bodensubstanz bezeichnet. «Organisch» im biologischen Sinn bedeutet, dass es zur lebenden Natur gehört (im Gegensatz zu beispielsweise unbelebten Gesteinen). «Organisch» im chemischen Sinn bedeutet, dass Kohlenstoff enthalten ist. Dieser Kohlenstoff ermöglicht es, dass beim Humusabbau Kohlenstoffdioxid (CO2) freigesetzt wird. Humus enthält viele wichtige Nährstoffe für die Pflanzen. Die oberen 10 bis 30 cm des Bodens enthalten in der Regel besonders viel Humus.

Mesofauna: Bodentiere mit einer Körpergrösse im Millimeterbereich, beispielsweise Springschwänze oder Milben.

Mikrofauna: Kleinstlebewesen, die von Auge nicht mehr sichtbar sind, beispielsweise Pilze oder Bakterien.

Mikrobiom: Das Mikrobiom des Bodens fasst alle Organismen – auch die allerkleinsten – zusammen, die im Boden leben.

Mykorrhiza: Aus dem Griechischen, bedeutet «Pilz-Wurzel» und meint die Symbiose von Bodenpilzen mit Pflanzenwurzeln. Dabei dringen die Pilze in die Pflanzenwurzeln ein, damit ein Austausch von Nährstoffen optimal geschehen kann.

Gründüngung liefert im Winter Futter

Markus Götsch kniet auf dem gleichen Feld, in dem er die Unterhose vergraben hatte. Erneut hat er mit dem Spaten gegraben und riecht nun an einem frisch ausgestochenen Stück Erde. Würzig und erdig. Mit einem Hauch von Raps. «Das riecht wie gewünscht. Was nicht sein dürfte, ist ein fauliger, dumpfer Geruch», erklärt der Landwirt. Der Boden ist locker und krümelig – ebenfalls erwünscht – und es kringelt sich prompt ein Regenwurm zusammen, sobald er ans Tageslicht gelangt. «Der Boden lebt. Ich bin mit dem Zustand zufrieden», sagt Markus Götsch.

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«Was nicht sein dürfte, ist ein fauliger, dumpfer Geruch.»

Markus Götsch, Landwirt

Lange sei er sich des Bodens gar nicht richtig bewusst gewesen, sagt Götsch, der seinen Betrieb biologisch bewirtschaftet. «Heute nehme ich oft einen Spaten mit auf den Traktor und grabe auf dem Feld in die Tiefe. So sehe ich, was sich im Boden tut.»

Markus Götsch hat nach einem solchen Blick unter die Oberfläche auch schon die geplante Bodenbearbeitung umgekrempelt – oder zumindest nach hinten verschoben. Auf einen Zeitpunkt, zu dem die Bearbeitung für den Boden schonender war.

Im Frühling wird Gründüngung gemulcht und eingefräst

Für das grössere Bewusstsein des Bodens ist bei Markus Götsch unter anderem ein Kurs zum Thema «regenerative Landwirtschaft» verantwortlich, den er besucht hat. Regenerative Landwirtschaft setzt sich zum Ziel, den Boden zu regenerieren, die Nährstoffe in ein Gleichgewicht zu bringen und die Humusschicht aufzubauen. Dazu wird der Boden minimal bearbeitet und die Pflanzen mit vitalisierenden Blattspritzungen (Komposttee, effektive Mikroorganismen EM, usw.) behandelt. 

Konkret achtet Markus Götsch darauf, dass seine Felder das ganze Jahr über bedeckt sind. Das schützt den Boden vor Erosion und liefert zudem den Bodenorganismen zu jeder Jahreszeit Nahrung.

Aktuell wächst eine möglichst diverse Gründüngung mit Roggen, Triticale, Wicke, Raps, Alexandrinerklee. «Ich habe sie gleich nach der Kartoffelernte angesät», erklärt Götsch. Im Frühling wird die Gründüngung gemulcht und anschliessend 3 bis 4 cm tief eingefräst.

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Damit das organische Material optimal abgebaut wird, spritzt Götsch einen Rotte-Lenker, der EM enthält und das Milieu für die Arbeit derBodenlebewesen ideal gestalten soll.

Als weitere Massnahme zur Bodenregeneration versucht Markus Götsch, den Pflugeinsatz zu reduzieren. «Ich werde nicht von heute auf morgen komplett darauf verzichten und damit unser bisheriges Vorgehen über den Haufen werfen.» Aber er habe sich letztes Jahr zusammen mit zwei Kollegen eine Ackerfräse gekauft, um den Boden nicht immer komplett zu durchwühlen.

Betriebsspiegel Waidhof
Markus Götsch und Yvonne Wiederkehr, Zürich ZH

LN: 37 ha
Kulturen: Winterweizen, Hafer, Rispenhirse, Kartoffeln, Soja, Silomais, Kunst- und Naturwiesen, Weiden
Tierbestand: 30 Milchkühe, 20 Stück Jungvieh, 40 Mastschwein, 260 Legehennen, 20 Bienenvölker
Weitere Betriebszweige: Direktvermarktung
Arbeitskräfte: Markus Götsch und Yvonne Wiederkehr, Irma und Robert Götsch, 2 Lernende, Aushilfen

www.biowaidhof.ch

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Marcel van der Heijden und sein Team forschen an solchen Störungen des Mikrobioms im Boden. Sie untersuchen unter anderem, ob und wie Bodenbearbeitung und Pestizid-Einsatz das Bodenleben beeinflussen. Sie haben dazu über 100 verschiedene landwirtschaftlich genutzte Felder untersucht.

Dabei seien insgesamt bis zu 32 verschiedene Pestizid-Rückstände gefunden worden. Auf konventionell bewirtschafteten Flächen war die Menge etwa sieben Mal grösser, doch auch auf Biobetrieben seien Rückstände gefunden worden.

Pestizid-Rückstände lassen Mykorrhiza zurückgehen

Grundsätzlich können sich die Bodenorganismen mit etlichen Stresssituationen arrangieren. «Bei der Bodenfauna handelt es sich zum grössten Teil um primitive Lebewesen. Ihre Bauweise ist simpel. Das bringt viele Nachteile – aber eben auch Vorteile. Sie können nämlich schnell auf ändernde Bedingungen reagieren», erklärt van der Heijden.

Oder aber sie harren ganz einfach der Dinge und warten auf bessere Bedingungen: Wie etwa gewisse Pilzarten, die als Sporen mehrere Jahre im Boden überdauern können, bevor sie wieder zu fressen und zu wachsen beginnen.

Der Pestizid-Einsatz bedeutet also nicht, dass es gar keine Bodenlebewesen mehr gibt. Denn dank der grossen Biodiversität finden sich solche Organismen im Mikrobiom, denen die Wirkstoffe nichts anhaben. Wiederum andere brauchen die Pestizid-Rückstände sogar als Nahrung und können sie dabei abbauen – ein positiver Nebeneffekt, der künftig vermehrt ausgenutzt werden könnte.

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«Die Bauweise der Bodenorganismen ist simpel.»

Marcel van der Heijden, Agroscope

Trotzdem: «Wir stellten einen Rückgang der Mykorrhiza-Pilze fest», so van der Heijden. Wobei die Effekte von Pestiziden auf Bodenorganismen zwischen einzelnen Wirkstoffen ebenfalls variieren.

Ob Trockenstress oder Pestizide: Die Mikrobiom-Zusammensetzung ändert sich unter wechselnden Bedingungen. Eine Beobachtung, die Marcel van der Heijden nicht wertet, sondern mit seinem wissenschaftlichen Interesse feststellt.

Nährstoffe im Boden ins richtige Verhältnis bringen

AboTrotz einem eigentlich schwierigen Pflanzenbaujahr hatte Reto Minder in Jeuss 2021 das schönste Tabakfeld weit und breit.Alle vier bis fünf Jahre lässt er seine Boden nach Kinsey analysieren und erhält Düngeempfehlungen.BodenanalyseGesunder Boden: Mit der Kinsey-Analyse die Nährstoffversorgung optimierenDonnerstag, 7. April 2022 Eine wichtige Komponente der Bodenbewirtschaftung ist die Düngung. Markus Götsch schenkt ihr viel Beachtung: «Es geht nicht nur darum, einen Nährstoff-Mangel zu beheben, sondern auch darum, die Nährstoffe im richtigen Verhältnis und somit in einem Gleichgewicht zu haben.» 

Um überhaupt zu wissen, welches Nährstoff-Vorkommen auf seinen Feldern herrsche, liess Götsch zusätzlich zur herkömmlichen ÖLN-Bodenanalyse eine umfassendere Analyse nach Kinsey durchführen, welche genau diese Nährstoff-Verhältnisse als Resultat ausgibt.

Zusätzlich werden Düngungsempfehlungen gemacht. An diesen Empfehlungen hat sich Markus Götsch bei der Düngung orientiert, aber sich nicht Eins-zu -eins daran gehalten. Die Kinsey-Analyse sei in erster Linie eine Standortbestimmung, sagt er.

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Vorerst werde er weiterhin mit Vollgülle (von den Kühen, Schweinen und Legehennen) düngen, der er bereits im Güllesilo Biolit-Gesteinsmehl beimischt. Bei den Kartoffeln dünge er ausserdem mit Stickstoff und Schwefel. Und natürlich sollen die Gründüngungen auch künftig Nährstoffe an den Boden liefern.

Das Ziel von Markus Götsch: Humusgehalte weiter steigern

Eine Zahl aus der Kinsey-Analyse hat sich Markus Götsch jedoch gemerkt: «Unser Boden hat aktuell 2 % bis 3 % Humus. Da besteht definitiv noch Potenzial, erwünscht wären eigentlich 4 % bis 5 %.»

Er wird weiter im Boden graben und sein Management entsprechend anpassen. Dem stabilen Ernteertrag zuliebe. Und den Springschwänzen, Bakterien, Pilzen und Regenwürmern zuliebe.