Eigentlich wäre er in der Konserve gelandet. Ein Ende als Hunde- und Katzenfutter. Doch dann kam es anders und Johnny, der Thurgauer, endete auf dem Hof Biseggmatte in Madiswil im Kanton Bern. Aber fangen wir von vorne an.

Schlaraffenland Seerücken

Geboren wurde Johnny am 2.11.2019 auf dem Thurgauer Seerücken, auf einem gemischten Ackerbaubetrieb mit Schweinezucht. Neben 150 Mutterschweinen hat der Betrieb zahlreiche Jungsauen sowie eine angegliederte Mast. Hier erblickte Johnny – halb Edelschwein, halb Duroc – das Licht der Welt.

Seine Qualität wurde früh erkannt und er wurde auf dem Kernzuchtbetrieb, der eigentlich auf die künstliche Befruchtung (KB) setzt, als zuverlässiger Deckeber eingesetzt.

Johnny war hier ganz der Pascha. Immer, wenn eine Sau zu einem ungünstigen Zeitpunkt in die Rausche fiel und man aus zeitlichen Gründen keine KB durchführen konnte, liess man Johnny zu Werke, so die Aussage des Betriebsleiters Thomas Kressibucher. Und diese Tätigkeit habe er stets zur vollsten Zufriedenheit erfüllt. Aus Gründen der Inzucht sei dann aber irgendwann mal Schluss gewesen.

Der Gang zum Schlachthaus war vorgezeichnet. Vorher sollte es aber noch an die Olma gehen, die Messe für Landwirtschaft und Ernährung in St. Gallen. Man sei nach einem lieben Eber gefragt worden und so schickte man Johnny.

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Auftritt an der Olma

AboAn der Olma 2023Grosse Euter, viele Menschen, «Bratwürschtli» und Johnnys GehängeDienstag, 17. Oktober 2023 «Mein Name ist Johnny und ich habe bereits 3657 Nachkommen», mit dieser Beschriftung begrüsste der 435 kg schwere Eber die Olma-Besucher auf dem Messgelände.

Inmitten seiner Koppel war er im Mittelpunkt des Geschehens, ihn selber schien das jedoch wenig zu stören, meistens döste Johnny vor sich hin und genoss die Auszeit. Dem Besucherandrang schadete das nicht, die Menschen drängten sich weiter an seine Koppel und bestaunten den mächtigen Eber. Besonders bei jungen Städtern sorgte der imposante Hodensack für rote Gesichter, spontane Lacher und die eine oder andere Mutprobe. Was für ein Publikumsmagnet, da muss man einfach darüber berichten.

Und so fiel Johnny dann auch der BauernZeitung auf. In einem humoristischen Onlineartikel mit dem Titel «Grosse Euter, viele Menschen, Bratwürschtli und Johnnys Gehänge» berichtete die BauernZeitung über den Eber. Der Artikel fand Anklang und wurde gut gelesen.

Damit hätte die Sache eigentlich ein Ende genommen, die Olma neigte sich dem Ende zu und Johnnys Gang ins Schlachthaus schien unvermeidlich, denn aus züchterischen und hygienischen Gründen war eine Rückkehr auf den Hof nicht mehr möglich.

Vom Thurgau nach Bern

«Guten Abend, falls es Sie interessiert, wir haben den Eber Johnny von der Olma gekauft», war der Text einer Nachricht, die Ende Oktober auf der Redaktion der BauernZeitung einging. Geschrieben hatten sie Esther Hürlimann und Andreas Hirschi aus Madiswil BE. Die BauernZeitung hat sich mit den beiden getroffen und gefragt, warum sie den Thurgauer Olma-Eber für ihren Hof in Madiswil gekauft haben.

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Frau Hürlimann, Herr Hirschi, wie kamen Sie dazu, Johnny zu kaufen?

Esther Hürlimann: Ich habe den Artikel über Johnny am Abend gelesen, als er erschien, lustigerweise hatten wir eine Woche vorher die Diskussion, dass wir für unseren Betrieb einen neuen Deckeber brauchen, und da war er plötzlich. Ich habe dann als Witz zu Andreas gesagt, schau mal, da ist unser neuer Deckeber. Aufgrund des Artikels und der Information, dass Johnny zum Verkauf stehe, reiste Andreas dann nach St. Gallen an die Olma.

Andreas Hirschi: Ich war da sozusagen als Agrarscout unterwegs. Vor Ort habe ich Johnny begutachtet und danach ging alles schnell. Ich habe den Besitzer ausfindig gemacht, wir haben uns über den Preis geeinigt und zwei Tage später haben wir Johnny abgeholt.

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Esther Hürlimann: Seitdem ist er bei uns auf dem Betrieb. Als Duroc-Edelschwein-Kreuzung passt er auch wunderbar zu unseren Moren und zu unserer Hofphilosophie.

Und die wäre?

Andreas Hirschi: Das Tierwohl steht bei uns an oberster Stelle. Sämtliche Tiere, die wir halten, kommen bei uns in den Genuss einer art- und wesensgerechten Tierhaltung.

AboDer Hof Biseggmatte macht beim Projekt «Unser Hausschwein» mit. Die Schweine leben draussen und sind in die Fruchtfolge integriert. SchweinezuchtDas «Vier-Rassen-Schwein»: eine neue Schweinerasse für die FreilandhaltungFreitag, 22. Dezember 2023Esther Hürlimann: Aus diesem Grund sind wir ein Demeter-Betrieb und produzieren nach den KAG-Freiland-Richtlinien. Die Schweine sind bei uns ganzjährig draussen in Weidekoppeln. Sie haben viel Auslauf und wir füttern sie mit Produkten vom Hof sowie 40 % Rüstabfällen (Nebenprodukte) eines benachbarten Gemüsebaubetriebs. Wir setzen auf Schweine, die das vertragen können, und beteiligen uns darum am FiBL-Projekt «Unser Hausschwein». Unser Ziel ist die Vier-Rassen-Kreuzung mit dem Schwäbisch-Hällischem, Turopolje, Duroc und Edelschwein und Johnny passt da wegen seiner Genetik perfekt rein.

Wie vermarkten Sie dann Ihre Tiere resp. die Produkte?

Esther Hürlimann: Wir setzen auf direkte Vermarktung. Via unsere Website, aber auch einen Stand am Weihnachtsmarkt verkaufen wir das Fleisch unserer Schweine, Rinder und Geissen. Man muss auf die Leute zugehen können. Wir nehmen dazu an Veranstaltungen wie dem «Tag der offenen Stalltüre» teil oder machen mit beim 1.-August-Hofbrunch. Wir bieten ausserdem Hoftötungen unter der Marke «Stressfrei vom Hof» an.

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Hoftötungen?

Andreas Hirschi: Die machen wir mit einem Schlachtanhänger. Mit diesem biete ich jede Art von Hoftötung für Schweine, Rinder, Schafe und Ziegen an; auch Notschlachtungen. Das Abdeckungsgebiet hat einen Radius von 100 km.

Wie funktioniert das genau?

Esther Hürlimann: Die Landwirte können online wie beim Coiffeur bei uns einen Termin buchen. Danach folgt ein erstes Beratungsgespräch. Bei der allerersten Hoftötung ist auf dem Betrieb dann auch das Veterinäramt dabei. Die weiteren vier Male sind in Begleitung vom Amtstierarzt. Dasselbe wiederholt sich dann für jede Tierart, die auf dem Hof getötet wird.

«Wir wollen zeigen, dass man mit einem Kleinbetrieb überleben kann.»

Andreas Hirschi, Co-Betriebsleiter vom Hof Biseggmatte.

Was ist Ihr innerer Antrieb dabei? Warum bieten Sie das an?

Andreas Hirschi: Wir wollen mit unserem Kleinbetrieb zeigen, dass man in der Schweiz überleben kann. Wir wollen innovativ sein und der Gesellschaft eine Alternative bieten für in Grossschlachthöfen geschlachtetem Fleisch. Uns ist bewusst, dass das ein Nischenprodukt bleibt und wir nicht die ganze Schweiz abdecken können. Jedes Tier, welches durch eine Hoftötung gehen kann, ist für uns ein Tier weniger, das dem Stress von Transport und der Schlachtung in Grossbetrieben ausgesetzt ist. Wenn wir uns schon die Freiheit nehmen, ein Tier zu töten, soll es anständig, würdevoll und stressfrei gehen.

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Nochmal zurück zu den Schweinen. Sie haben auf Ihrem Betrieb sehr viele verschiedene Rassen, warum?

AboBerkshire-Schweine eignen sich ganzjährig für die Freilandhaltung und trotzen auch widrigen Wetterbedingungen.SchweinerassenDas Berskhire-Schwein ist der «Wagyu» unter den SchweinenFreitag, 22. Dezember 2023Andreas Hirschi: Sie sind nach und nach zu uns gekommen. Die Vier-Rassen-Züchtung haben wir vom FiBL-Projekt. Daneben haben wir kürzlich auch zwei Berkshire-Schweine übernommen (siehe Kasten). Eine seltene Rasse aus England, die wunderbares Fleisch liefert. Von denen tragen beide und wir erwarten im Januar erstmals Junge. Die Wollschweine sind schliesslich letzte Woche zu uns gekommen, von einem Privatbesitzer, der aufhören musste.

Was begeistert Sie so an Schweinen?

Andreas Hirschi: Schweine sind einfach tolle und nützliche Tiere. Im Acker sind sie die besten Schädlingsbekämpfer, vor Kartoffeln wühlen sie nach Drahtwürmern, fressen Engerlinge, ackern das Feld um. Aber auch auf dem Hof helfen sie uns. Im Tiefstreu der Rinder wühlen sie nach Maden und fressen diese.

Und wo wird Johnny nun eingesetzt?

Esther Hürlimann: Johnny wird zum Decken unserer Vier-Rassen-Moren eingesetzt. Er hat dies bereits erfolgreich gemacht. In der Zwischenzeit geniesst er seine grosse Bucht mit einem erhöhtem Auslauf, sozusagen seine Balkonwohnung. Wir planen, ihn noch für eine Weile einzusetzen. Er bleibt bis zu seinem Lebensende bei uns auf dem Hof.

Hier geht's zum Projekt «Unser Hausschwein»

Betriebsspiegel Hof Biseggmatte
 
Name: Andreas Hirschi und Esther Hürlimann
Ort: 4934 Madiswil BE
Fläche: 6 ha LN, auf 0,5 ha Mais für Maiswürfel, 1 ha Weizen, Rest dient als Weidefläche, 0,6 ha Wald
Viehbestand: 5 Mutterkühe (Dahomey, Hinterwälder und Aubrac) mit Kälbern, 2 Wollschweine mit 5 Ferkeln, 2 Moren aus Projekt «Mein Hausschwein» mit 25 Ferkeln sowie 2 Moren der Rasse Berkshire

Website: www.hof-biseggmatte.ch