Auf dem Hof Matterand im Aargauischen Staffelbach können die 25 Pensionärinnen zwischen Auslaufboxen, einer Stuten- und einer Wallachgruppe wählen. Aber egal, wo ihr Pferd steht – es verbringt einen grossen Teil des Tages in der Gruppe, unterwegs auf einem Trail, zwischen Paddock und Weide. 15 Pferde gehen am Abend in ihre Boxen zurück.

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Tagsüber gibt es Heu in Raufen und Heunetzen; einzeln gefüttert wird am Morgen und Abend sowie bei einem späten Durchgang vor der Nacht. Den übernehmen die Pensionärinnen abwechslungsweise selber.

Futter gibts automatisch

Ein paar hundert Meter weiter steht «Chantals Aktivstall» von Familie Müller. Die Pferde werden dort zur Bewegung animiert, sie müssen zwischen Futter-, Trink- und Liegebereich Wege zurücklegen, von Frühling bis Herbst ist ein Trail geöffnet. An Kräuterbeeten können sie Minze, Salbei und anderes knabbern, an einer Futterstation holen sie sich mit einem Chip im Halsband ihr Heu über 24 Stunden verteilt in kleinen Portionen.

Die Besichtigung der beiden Ställe stand auf dem Programm des Nordwestschweizer Pferdetags vor einer Woche, organisiert von den Bildungszentren Liebegg, Ebenrain und Wallierhof. Sie verweisen auf den Wandel in der Pferdewelt, den Liebegg-Direktor Hansruedi Häfliger beschrieb: Von den rund 114'000 Equiden in der Schweiz ist nur noch die Hälfte als Nutz- und als Heimtier gemeldet, der Anteil an Heimtieren steigt stetig weiter. Nur noch knapp 20 Prozent der Pferde sind im Sportregister eingetragen, deren Besitzer mehrheitlich über 40-jährig.

«Sensibilität ist nicht dasselbe wie Fachwissen.»

Liebegg-Direktor Hansruedi Häfliger über die Wichtigkeit von Aus- und Weiterbildung.

Beziehungs- statt Leistungsansprüche

Statt Leistungsansprüche würden immer mehr Beziehungsansprüche ans Pferd gestellt, sagte Häfliger. «Die Mehrheit der Pferde sind heute unterbeschäftigt und übergewichtig», nannte er eine daraus resultierende Problematik. Der Trend zur individuellen, nicht organisierten Beschäftigung mit dem Pferd halte an, dadurch nehme die Professionalität ab. «Die Sensibilität der Bevölkerung gegenüber dem Pferd steigt – aber Sensibilität ist nicht das Gleiche wie Fachwissen.»

Das bestätigte der folgende Referent Ruedi von Niederhäusern: Nur zwischen vier und fünf Stunden pro Woche arbeite heute ein Pferd im Durchschnitt. Da war früher bereits das Tagespensum länger. Für so viel Freizeit sind Pferde nicht gemacht: Sie würden sich von Natur aus stundenlang mit der Futtersuche beschäftigen und in kleinen, zahlreichen Portionen fressen. Unterbeschäftigte Tiere langweilen sich, zudem sinkt ihr Futterbedarf. Lange Futterpausen schaden dem Verdauungssystem, eine unbegrenzte Futtervorlage führt in aller Regel zu Übergewicht.

Grundsätzlich plädierte Ruedi von Niederhäusern für mehr Bewegung der Pferde und Einfachheit in der Fütterung, auch wenn das enorme Marketing für Zusatzfutter etwas anderes nahelegt. Das heisst: ein hoher Anteil an hochwertigem Raufutter in der Ration. Kraftfutter sei nur in wenigen Fällen nötig, sagte der Pferdefachmann und nannte einige Fütterungsgrundsätze.

Grundsätze der Fütterung

  • Gewicht bestimmen, Fütterungszustand abschätzen
  • Leistungsbedarf bestimmen
  • individuelles Temperament und Futterverwertung beachten
  • mindestens 1,5 kg Heu pro 100 kg Lebendgewicht
  • maximal 0,8 kg Stroh pro 100 kg Lebendgewicht
  • Rohfasergehalt zwischen 18 Prozent (Sportpferde) und 24 Prozent (Robustpferde)

Lernverhalten von Pferden: Erfolg motiviert
«Was lebt, lernt», sagte die Tierärztin und Verhaltenstherapeutin Ruth Hermann. Pferde lernen jederzeit, lebenslänglich – Erwünschtes und Unerwünschtes. Wobei die kognitiven Fähigkeiten der Equiden gerne überschätzt würden, sagte sie am Nordwestschweizer Pferdetag.

Pferde seien Situationslerner mit ausgezeichnetem Gedächtnis. Gute Erlebnisse beeinflussen das Lernen positiv, unangenehme Erlebnisse negativ. Darum sind Strafen gemäss Ruth Hermann meist kontraproduktiv: Sie führen zu Stress, stören die Beziehung zum Menschen und wirken negativ auf den Lernprozess. Erfolg hingegen sei extrem motivierend, für Tier und Mensch. Sie plädierte darum für kleine Trainingsschritte auf dem Weg zum Ziel.

Der Mensch soll sich zuerst selber in die Pflicht zu nehmen: Bin ich fähig, habe ich Zeit, habe ich Lust? In einem Pensionsstall stelle sich die Frage, ob der Pferdebesitzer zuständig sei, ein unerwünschtes Verhalten des Tieres zu ändern, oder die Betriebsleiterin – und ob für Extraleistungen allenfalls eine Entschädigung zu verlangen sei.

Haltung im Wandel

Der Betrieb Matterand war ursprünglich auf Boxenhaltung und Einzelweiden ausgerichtet, erzählte das Betriebsleiterpaar den Teilnehmenden des Pferdetags beim Hofrundgang. Die neue Haltungsform habe sich nach und nach entwickelt.

«Wir brauchen jetzt zwar mehr Auslauffläche, dafür haben wir es arbeitswirtschaftlich einfacher», sagte Daniel Schär. Und dieses System entspreche der Nachfrage auf dem Pensionsmarkt.

Das bestätigte Chantal Müller: Die Plätze in ihrem Aktivstall sind begehrt.