Die Felder reichen bis ans Seeufer, der Blick schweift weiter auf die Berge in der Ferne und auf das nahe Schloss Rapperswil. Der aussergewöhnliche Platz bei Feldbach am Zürichsee ist den Angestellten der Getreidezüchtung Peter Kunz (GZPK) vorbehalten, und ein bisschen auch den Besucherinnen und Besuchern, die sich von der Züchtungsarbeit vor Ort ein Bild zu machen.

Viele Nachkommen

Verena Weyermann ist zuständig für die Züchtung von Weizen. Auf dem Feld veranschaulicht sie, wie eine neue Sorte entsteht. Die Biologin beginnt mit dem Anfang des Prozesses: Sie hat zwei ausgesuchte Elternpflanzen ausgesät, welche miteinander gekreuzt wurden. «Auf diese Weise haben wir dieses Jahr beim Weizen 110 Kreuzungen durchgeführt», sagt Weyermann. Ziel ist dabei, möglichst eine Vielzahl Nachkommen mit verschiedenen Eigenschaften zu erhalten, woraus nach Bedarf ausgesucht werden kann. Die nachfolgenden Populationen, im zweiten Jahr etwa F2 genannt, wachsen auf Arealen von 4 Quadratmetern und werden nach verschiedenen Kriterien wie etwa Pflanzengesundheit, Standfestigkeit, Abreife oder Pflanzenlänge selektioniert.

Später kommt auch die Eignung des Mehls zum Brotbacken zur Begutachtung. In den darauffolgenden Jahren werden weitere Generationen angepflanzt, die sich jeweils selbst befruchten. «Je mehr die Pflanzen sich selbst bestäuben, desto stabiler werden sie auf der genetischen Ebene», so Verena Weyermann. Ab der achten und letzten Generation gibt es genügend Saatgut, um sie an verschiedenen Standorten anzupflanzen. Dies erlaubt, sie etwa bezüglich verschiedener Bedingungen wie Krankheitsdruck, Klima oder Boden miteinander zu vergleichen.

Langer Atem notwendig

Pflanzenzüchtung setzt einen langen Atem voraus: Für eine Neuzüchtung braucht es 12 bis 15 Jahre. Nach der eigentlichen Züchtungsphase von rund zehn bis zwölf Jahren folgen während weiteren fünf Jahren die offizielle Zulassungsprüfung vom Bund und weitere Bio-Prüfungen. Das Resultat dieser langen Zeit sind schliesslich 20 Kilogramm Saatgut einer neuen Sorte. Mit dieser Ausgangslage erfolgt nun die Weitervermehrung durch Partner wie die Sativa Rheinau AG im zürcherischen Rheinau, um Saatgut für den Verkauf zu erhalten. Abnehmer sind schliesslich Landwirt(innen) aus der Schweiz und dem nahen Ausland. Derzeit sind insgesamt etwa 20 GZPK-Sorten erhältlich. In den letzten Jahren konnte beispielsweise jedes Jahr eine neue Weizensorte lanciert werden.

Hitzetoleranz erwünscht

«Die heutige Arbeit kommt also frühestens in 15 Jahren auf den Acker. Daher ist es unabdingbar, weit vorauszuschauen», stellt Co-Geschäftsführerin Monika Baumann fest. «Dabei gilt es von Beginn an abzuschätzen, welche Anforderungen sich an eine Getreidesorte künftig stellen werden, ohne es heute genau zu wissen». Stark beeinflusst werden die Züchtungsziele von den Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt. Monika Baumann nennt Eigenschaften, welche Ackerbaukulturen in Zukunft vermehrt aufweisen sollen, hohe Plastizität, Hitzetoleranz beispielsweise und ein geringer Wasserbedarf.

Um mögliche neue Sorten darauf zu testen, baut sie die GZPK für ihre Versuche an verschiedenen Standorten in der Schweiz an. «Es ist ein Unterschied, ob eine Pflanze auf mittelschwerem Boden wie hier in Feldbach oder auf trockenem, sandigem Boden in Rheinau wächst», sagt Baumann. Wichtige Informationen liefert zudem der Anbau auf Versuchsflächen, die dem Verein im Ausland zur Verfügung stehen, wie etwa seit Kurzem in der spanischen Extremadura, die als heisse und trockene Gegend bekannt ist.

Für die Agrobiodiversität

Die GZPK wurde vor mehr als 35 Jahren vom Zürcher Oberländer Peter Kunz gegründet, einem Pionier in der Biozüchtung. Ziel war von Anfang an die Erhaltung und der Ausbau der Agrobiodiversität auf Schweizer Äckern und damit die Unabhängigkeit von multinationalen Züchtungshäusern. Wenn nun Landwirt(innen) eine GZPK-Sorte kaufen leisten sie direkt einen Beitrag an die weitere Züchtungsarbeit. «Nach fast vier Jahrzehnten Züchtungsarbeit finanzieren wir uns heute zu 17 Prozent selbst.» Nebst den Einnahmen durch Lizenzen ist die GZPK, die als gemeinnütziger Verein organisiert ist, auf Spenden und Mittel von Gönnerinnen und Gönnern oder Stiftungen angewiesen. Was als Gewinn übrig bleibt, wird wieder in die Züchtungsarbeit investiert. Vor rund drei Jahren hat sich Peter Kunz aus der aktiven Züchtungsarbeit zurückgezogen und die Leitung an Monika Baumann und Herbert Völkle übergeben, mittlerweile ist ein 15-köpfiges Team im Einsatz, das vor allem aus den Fachgebieten Agronomie, Pflanzenzüchtung und Biologie stammt. Zudem gibt es in Deutschland eine Schwesterorganisation.

Enge Zusammenarbeit

Seit einigen Jahren züchtet die GZPK nicht nur verschiedene Getreidearten, sondern auch Leguminosen. «Diese spielen aufgrund ihres Eiweissreichtums und dem Trend zur fleischlosen Ernährung eine immer grössere Rolle für die menschliche Ernährung», hält Monika Baumann fest. Auch der Mischanbau gewinnt zunehmend an Bedeutung, beispielsweise Gerste in Kombination mit Erbsen. «Mischkulturen können sich bezüglich Qualität und Ertrag als sinnvoll erweisen», so Baumann. Allerdings gebe es noch praktische Schwierigkeiten, etwa die geerntete Mischung zu trennen. «Das ist ein Beispiel dafür, dass es auch mit weiterverarbeitenden Betrieben eine enge Zusammenarbeit braucht», sagt Baumann. «Auch stellen wir grundsätzlich fest, dass die Arbeit in Netzwerken vermehrt gefragt ist».

Weitere Informationen: www.gzpk.ch

 

Nischenkulturen fördern

Die GZPK züchtet neue Sorten, sowohl für den Futterbau wie auch für die menschliche Ernährung. Darunter auch Nischenkulturen. Zwei Beispiele:

Triticale: Triticale, eine Kreuzung aus Hartweizen und Roggen, gilt als anspruchslose Kultur, die einen hohen Ertrag liefert und gute Krankheitsresistenzen aufweist und mit weniger Dünger und Herbiziden auskommt. Zudem kommt bei Triticale weder Stinkbrand noch Flugbrand vor. Beides Krankheiten, die mit dem Saatgut übertragen werden und Verursacher grosser Probleme sind. Auch haben die meisten Sorten lange Grannen, welche vor Vogelfrass und Wildschweinschäden schützen. Der Züchtungsschwerpunkt der GZPK liegt bei Brot-Triticale.

Platterbse: Die Platterbse ist eine Körnerleguminose, die in nördlichen Teilen Afrikas und in Süd- und Westasien auf etwa 1,5 Millionen Hektaren zur Ernährung von Menschen und Tieren angebaut wird. In Mitteleuropa dagegen ist sie kaum bekannt. Die Pflanze ist reich an Proteinen und essenziellen Aminosäuren und weist eine hohe Stickstofffixierung auf. Als Nahrungsmittel hatte die Platterbse früher einen zweifelhaften Ruf, da sie das Alkaloid Lathyrin enthält, das ab einer gewissen Dosis zu Symptomen wie Lähmung führen kann. Das wird heute züchterisch bearbeitet. Die Züchtung von neuen Sorten ist von Interesse, da die Platterbse viel Eiweiss enthält und mit extremen Klimabedingungen wie Trockenheit und starkem Regen gut zurechtkommt.