Von Nestlé hört man im Tagesgeschäft am turbulenten Milchmarkt üblicherweise nicht viel. Das ist im Moment anders. Im ohnehin bewegten Milchfettmarkt sorgt die Schweizer Tochter des global tätigen Unter-nehmens zum Jahresende für kräftige Wellen. Nestlé will gemäss einem Gesuch an die Eidgenössische Zollverwaltung von Anfang November im Veredelungsverkehr 4500 t Rahm importieren.

Umfangreiche Massnahmen

Das sorgt in der Branche für Unmut, weil man soeben umfangreiche Massnahmen getroffen hat, um die Versorgung mit heimischem Milchfett zu verbessern und die umfangreichen Butterimporte – im laufenden Jahr fast 6000 t – zu reduzieren.

Die Einfuhrpläne von Nestlé sind aber nicht der Hauptgrund für die Störung des prekären Branchenfriedens. Der Veredelungsverkehr ist an sich gut etabliert. Und es stehen mit der Nachfolgelösung Schoggigesetz entsprechende Stützungskassen zur Verfügung.

Das noch nicht bewilligte Gesuch hat es aber in sich. Nestlé will nämlich den importierten Rahm nicht selber verarbeiten, sondern diesen an die Züger Frischkäse weiterverkaufen. Gleichzeitig würde in Konolfingen BE die gleiche Menge Schweizer Rahm verwendet, um Nestlé-Babynahrung für den Export zu produzieren.

Nestlé erstaunt über Ärger

Dieses Ansinnen stösst in der Branche auf breiten Widerstand, wie den Stellungnahmen zum Importgesuch zu entnehmen ist. Sowohl die Branchenorganisation Milch (BOM), wie auch die Schweizer Milchproduzenten (SMP) lehnen das Gesuch ab. Es handle sich hier um ein Präjudiz, welches das sorgsam ­gezimmerte Fettregime und den Butterpreis bedrohe, so der ­Tenor.

Daniel Imhof, Leiter Landwirtschaft bei Nestlé Schweiz, zeigt sich auf Anfrage erstaunt über die breite Ablehnung des Gesuchs. Er weist darauf hin, dass sich die Situation mit der Verknappung von Milchfett verändert hat: «Wir stehen vor einer neuen Situation auf dem Markt», so Imhof. Auch andere Unternehmen versuchten, sich mit angepassten Strategien besser zu positionieren, deutet er an, ohne aber Namen zu nennen.

Haltbarkeit als Auslöser

Auf die Frage, warum er nicht Schweizer Rahm verwende für seine Produkte, führt Daniel Imhof die unveränderte Rohstoff-Knappheit an. Die Schweiz müsse wieder Butter importieren. Es sei im laufenden Jahr mehrfach passiert, dass Nestlé nicht genügend Milch hatte, um zu produzieren. Böse Zungen führen dies darauf zurück, dass Nestlé die tiefsten Preise zahlt. Imhof verneint nicht, dass Nestlé aufgrund der starken Exportorientierung knapp kalkulieren muss. Aber auch andere hätten knapp Milch gehabt diesen Sommer.

Die zweite Frage, die sich aufdrängt: Warum importiert Nestlé nicht nach bewährtem Veredelungsmodus Rahm, um diesen verarbeitet zu Nestlé-Babynahrung wieder auszuführen? Das gehe nicht aufgrund der Haltbarkeitsvorschriften, sagt Imhof. Bei Nestlé dürfe der Rahm höchstens vier Tage alt sein, wenn er zu Babynahrung verarbeitet wird, diese Frist könne man mit Importen nicht gewährleisten.

Keine Fondsgelder nötig

Zudem stelle Nestlé selber keine Butter her. Deshalb brauche es das Konstrukt mit einem Partner wie der Züger Frischkäse AG. Deren CEO Christof Züger erklärte auf Anfrage der BauernZeitung, dass die aus dem EU-Rahm hergestellte Butter korrekt deklariert würde. «Diese Butter wird nicht unter Suisse Garantie verkauft», so der Ostschweizer Verarbeiter.

Er sehe keine Gefahr für das Marktgefüge, so das Fazit von Daniel Imhof. Im Gegenteil, anders als beim üblichen Veredelungsverkehr müsste die BOM nicht einmal ihre Fonds bemühen, um die Exporte zu stützen, sagt er. Er hinterfragt gleichzeitig die negative Haltung der Branche zum Gesuch. Offenbar wollten die Schweizer Produzenten nicht mehr Milch ausführen, deshalb müsse er schauen, wie er anderweitig zu seinem Rohstoff kommen, so Imhof.

SMP: «Eine Drohgebärde»

Bei den SMP kommt das Vorgehen von Nestlé «schlecht bis sehr schlecht an», so Mediensprecher Reto Burkhardt. Auf Anfrage ­erklärt er, dass man das Importgesuch als «Drohgebärde und Versuchsballon» interpretiere. Schweizer Konsumenten müssten als Folge eines solchen Geschäfts ausländische Butter essen, damit Nestlé «Schweiz» exportieren kann, so Burkhardt.

Der SMP-Sprecher ortet sehr grosses Missbrauchspotenzial bei einer Zustimmung zu diesem Präjudiz. Das gelte insbesondere punkto Swissness, sofern wie von Nestlé geplant das Identitätsprinzip (was importiert wird muss auch wieder exportiert werden) nicht eingehalten wird.

Die SMP bringen in ihrer Reaktion auf das Gesuch auch eine Alternative ins Spiel, nämlich ein Veredelungsverkehr mit Frischmilch, und zwar zwingend nach dem Identitätsprinzip. «Dieses Vorgehen wäre weniger risikobehaftet als das von Nestlé geplante mit einer unkontrollierbaren Mengenbilanz», sagt Reto Burkhardt. Davon will Daniel Imhof aber nichts wissen. Wenn er Milch einführe und nur das Fett brauche, sei plötzlich zu viel Magermilch auf dem Markt, das sei nicht zielführend.

Gerät alles ausser Kontrolle?

Klar abgelehnt wird das Gesuch auch von der BOM. «Dank den umfangreichen Importen in den vergangenen Monaten ist der Milchfettmarkt bis mindestens Mitte nächsten Jahres wieder ausgeglichen», sagt Geschäftsführer Stefan Kohler. Er befürchtet, dass «alles etwas ausser Kontrolle und das System in Gefahr gerät».

Das hat damit zu tun, dass mit solchen Dreiecksgeschäften wie hier zwischen Nestlé, Züger und einem Grossverteiler Renditen entstehen, von denen nur wenige profitieren. «Züger kann so Butter zum EU-Preis herstellen», so Kohler. Das werde den Druck auf den hohen Schweizer Preis fast zwangsläufig erhöhen. Dieser ist rund dreimal so hoch wie derjenige in der EU.

2300 t zusätzliche Butter

Stefan Kohler warnt zudem vor dem markanten Unterschied zwischen üblichem Veredelungsverkehr und den Nestlé-Plänen. «Es kommen umgerechnet zusätzlich 2300 Tonnen Butter auf den Schweizer Markt, die muss dann auch verkauft werden», so Kohler.