Tanja Müller-Studhalter führt zusammen mit ihrem Mann Kaspar in Ebersecken LU einen Hof mit 23 Hektaren Land, Piomenteser Mutterkühen, Mastschweinen und Fleisch-Direktvermarktung. Zwei Angestellte und Aushilfen arbeiten in der Landwirtschaft und in der Hofmetzgerei mit. Als Finanzplanerin bei einer Grossbank arbeitend, kam Tanja Müller-Studhalter vor knapp 20 Jahren auf den Betrieb.

BauernZeitung: Als Sie Ihren Mann kennenlernten, wussten Sie nicht, dass er Landwirt ist. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie realisierten, dass Sie sich in einen Landwirt verliebt hatten?
Tanja Müller-Studhalter: Für mich kam er optisch nicht als Bauer rüber! (lacht) Ich hätte nie gedacht, dass ich mich in einen Bauern verliebt hatte … Als ich es dann erfuhr, war das kein Problem für mich. Ich bin eine offene Person und dachte mir «mal schauen …».

Bevor ich auf den Hof zog, machte ich mir keine tiefschürfenden Gedanken zur Landwirtschaft. Ich liess alles auf mich zukommen. Erst als ich schon als Bäuerin arbeitete, kamen mir Ideen, in welche Richtung wir den Betrieb entwickeln könnten. Ich ging in meiner neuen Rolle auf und packte die Herausforderungen mit Elan und Freude an.

Sie kündigten Ihre sehr gut bezahlte Tätigkeit bei der Grossbank. Was war Ihre Motivation, voll auf dem Hof zu arbeiten? Störte es Sie nicht, voraussichtlich deutlich weniger zu verdienen? Wie reagierte Ihr Umfeld?
Mein Umfeld staunte schon etwas über meine Kündigung. Für mich war es kein Problem, weniger zu verdienen. Ich realisierte rasch, was mir der Hof anstelle des Top-Einkommens bot. Für meinen Mann und mich war klar, dass wir den Betrieb uns und unseren Fähigkeiten anpassen wollten. Zudem war es mir wichtig, unsere Kinder Natascha und Ramon selbst zu erziehen.

Der aus betrieblicher Sicht erste grosse Schritt war die Umstellung auf Mutterkühe. Weil das Label Natura-Beef damals «voll» war, suchten wir unsere eigene Nische: Wir setzten auf Piemonteser Kühe. Als Metzger wusste mein Mann, dass das Fleisch genau die Wünsche der Konsumenten erfüllt. Es ist fettarm und feinfaserig, zudem stimmen Ausbeute und Qualität.

«Frisch vo de Tanne» ist das Label, unter dem Sie Ihre Fleischprodukte verkaufen. Wieso stiegen Sie in die Fleisch-Direktvermarktung ein? Wie sieht diese aus?
Das Fleisch der Piemonteser-Rasse ist prädestiniert für die Fleisch-Direktvermarktung. Wir führen eine Hofmetzgerei und fahren jeden Samstag auf den Wochenmarkt ins bernische Langenthal. Das macht Freude und ist gleichzeitig sehr streng! Unsere Kunden erwarten, dass wir immer selbst vor Ort sind. Als Gegenleistung dürfen wir auf eine extrem hohe Kundentreue und Wertschätzung zählen.

Hat Ihnen Ihre Ausbildung als Kauffrau und Finanzplanerin bei der Entwicklung des Hofs etwas gebracht?
Meine kaufmännische Aus-bildung und meine Tätigkeit in der Finanzbranche gaben mir Sicherheit. Ich kannte mich in wichtigen Fachgebieten, wie Versicherungs- und Finanzierungsfragen, Administration und Buchhaltung aus.

Ein Beispiel: Wir sprachen für den Absatz unserer Fleischspezialitäten bei einem grösseren potenziellen Abnehmer vor. Seine Forderung war klar: «Wir werden gern Partner, wenn Sie Ihre Spezialitäten vakuumiert und in Schalen anbieten können.» Ein Schalen-Vakuumiergerät war eine sehr grosse Investition für uns. Ich denke, dass wir dieses Risiko wohl nicht eingegangen wären, wenn ich nicht über meine Ausbildung verfügt hätte. Sie gab mir Sicherheit.

Sie sind im Vorstand der Landi Luzern-West, Präsidentin des Anicom-Regionalausschusses Zentralschweiz und in dieser Funktion auch Verwaltungsrätin dieser wichtigen Tiervermarktungsorganisation. Weshalb übernahmen Sie diese Ämter?
Ich mag Herausforderungen aller Art. Ich freute mich darauf, Neues kennenzulernen. Zudem empfand ich es als persönliche Wertschätzung, dass mir die Verantwortlichen der genannten Organisationen, und wo nötig auch die Bauern, das Vertrauen schenkten.

Damit ich meine Aufgaben gut gerüstet antreten konnte, absolvierte ich den CAS-Lehrgang Agrarrecht an der Universität Luzern. Mir gefallen das Netzwerken und der Austausch in den Gremien. Ich bin gefordert, sehe hinter die Kulissen und geniesse die vielfältige Tätigkeit.

Ihre Kinder Natascha (16) und Ramon (14) sind längst «aus den Windeln», das gibt Ihnen mehr Freiraum. Wie nützen Sie diesen? Wohin könnte die Entwicklung des Hofes und Ihre persönliche Situation gehen?
Ich absolvierte gerade eine Weiterbildung in Kommunikation. Ich halte Augen und Ohren offen und kann mir weitere neue Herausforderungen vorstellen. Mein Motto lautet: «Mal schauen, wohin die Reise führt.» Auf dem Hof werden wir weiterhin mit Angestellten arbeiten und voraussichtlich unsere Hofmetzgerei nochmals ausbauen. Wir schätzen es, einen möglichst grossen Teil der Wertschöpfung auf dem Betrieb behalten zu können.

Im Moment ist die Nachfolge auf dem Hof noch kein Thema. Sollte eines unserer Kinder in die Landwirtschaft einsteigen, würden wir uns freuen. Wenn nicht, ist das auch in Ordnung. Auch diesbezüglich sind wir nicht festgefahren.

 

Bäuerinnen-Juni

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