Die Frage, was ich werden will, hat sich für mich nie gestellt. Ich habe immer gewusst, dass ich Gärtnerin werde. Schon im Chindsgi», erinnert sich Ursula Hofmann, während sie mit aufmerksamem Blick ihre Setzlinge kontrolliert und wässert. Seit nunmehr 25 Jahren arbeitet sie als biologisch-dynamische Gärtnerin für die Firma Weleda, betreut dort die Setzlingsanzucht. 

Ursula Hofmann liebt die Sorgfalt, die man im biologisch-dynamischen Landbau den Pflanzen zukommen lässt. Die von ihr gezogenen Pflänzchen werden für die Präparate von Weleda verwendet. Bis es so weit ist, brauchen sie aber viel sorgsame Pflege und Handarbeit. Die Saat etwa plant sie nach dem Aussaatkalender der deutschen Anthroposophin Maria Thun. Grundlage dieses Kalenders sind unter anderem die Stellungen des Mondes in den Sternbildern. 

30 000 Setzling pro Jahr

Hofmann ist ständig am Ausprobieren, was ihren frisch gezogenen Pflänzchen am besten bekommt. 30 000 Setzlinge werden jedes Jahr ins Feld ausgebracht, alle gehen durch ihre Hände. Viele munden auch den Schnecken bestens und so müssen die Gärtner viel Zeit mit der Kontrolle der Pflanzen verbringen. Die Tigerlilien zum Beispiel werden häufig von einem, wie Hofmann gern einräumt, «wunderschönen Käfer befallen, der auch noch den wunderbaren Namen Lilienhähnchen trägt». Dennoch ist er ein Schädling. Sie muss ihn regelmässig ablesen. 

Ursula Hofmann stammt von einem kleinen Bauernhof auf der Halbinsel Au (ZH). Ihre Ausbildung hat sie an der Schweizerischen Gartenbauschule für Töchter gemacht. «Die wurde in den dreissiger Jahren gegründet. Damals war es revolutionär,dass Frauen eine Ausbildung machen durften. Schon meine Mutter war dort.» 

Lücken schliessen

Nach diversen Auslandsaufenthalten und Praktika bot sich die Möglichkeit, als Gärtnerin in einer anthroposophischen Institution, dem Werkheim Neuschwende in Trogen AR, zu arbeiten. Hofmann kümmerte sich dort nicht nur um den Garten, der für die Selbstversorgung genutzt wurde. Sie leitete auch die zu Betreuenden täglich in der Gartenarbeit an. «Ziel war nicht eine möglichst grosse Produktion, sondern die sinnvolle Beschäftigung jedes einzelnen nach seinen Möglichkeiten.» 

Seitdem bildete sie sich laufend im biologisch-dynamischen Gemüsebau fort – und merkte, wo sie Lücken hatte. «Trogen liegt auf tausend Meter. Über Pflanzenkrankheiten und Schädlinge wusste ich anschliessend so gut wie nichts, es kam ja beides dort oben kaum vor.» Seit 25 Jahren gibt sie nun selbst im Winter Kurse in biologisch-dynamischer Landwirtschaft.

Arbeiten mit den Kostbarkeiten der Natur

Als man ihr einen Job in den Heilpflanzengärten von Weleda antrug, musste sie nicht lange überlegen: «Mir gefiel die Sorgfalt im Umgang mit den Pflanzen. Selbst die Ernte erfolgt vollständig von Hand. Das gibt zwar einen müden Rücken, doch es ist schön, so achtsam mit den Kostbarkeiten der Natur umgehen zu können. Und bei den Heilkräutern ist jede Pflanze besonders und hat ihre Eigenarten, die man kennen muss.» 

Da Weleda immer neue Rezepturen entwickelt, müssen  immer neue Wildpflanzen zur Verfügung stehen. Das ist nicht einfach, denn für den Anbau von Wildpflanzen gibt es praktisch keine Literatur. Die Gärtner müssen meist selbst herausfinden, wie etwas am besten gedeiht. Dazu kommt: «Jede Wildpflanze verändert sich, wenn man sie ins Beet holt. Schlüsselblumen werden zum Beispiel deutlich grösser. Wir experimentieren mit verschiedenem Saatgut und auch mit den Reihenab-
ständen.» 

Wenn Ursula Hofmann im Winter ihre Aussaatpläne macht, greift sie  auf die Empfehlungen von Maria Thun zurück, die die sogenannte Konstellationsforschung in aufwendigen Praxisversuchen verfeinert hat. «Zu streng nehme ich sie nicht. Wenn das Wetter nicht mitspielt, nützt der beste Kalender nichts. Ich schaue an den Himmel und nehme Thun als Leitidee. Im Zweifelsfall vertraue ich auf mein Gefühl und meine Erfahrung.»

Grundelement

Wachstumsphase

Tierkreiszeichen

Pflanzen

Erde

Wurzel

Stier, Jungfrau, Steinbock

Wurzelpflanzen wie Kartoffeln, Rüebli, Sellerie oder Radieschen

Wasser

Blatt

Fisch, Krebs, Skorpion

Blattplanzen wie Salat, Kohlrabi, Lauch oder Peterli

Licht / Luft

Blüte

Zwilling, Waage, Wassermann

Alle Blumen und Blumenzwiebeln sowie Blütengemüse wie Artischocken oder Brokkoli

Wärme / Feuer

Frucht

Widder, Löwe, Schütze

Fruchtpflanzen wie Obst, Bohnen, Tomaten, Peperoni, Gurken oder Beeren

 

 

Maria Thuns Aussaatkalender

Seit 1963 erscheint er jedes Jahr der Aussaatkalender von Maria Thun. Die deutsche Anthroposophin gilt als Pionierin des Pflanzenbaus unter Einbezug der «kosmischen Einflüsse». Denn aus ihrer Erfahrung beeinflusst unter anderem der Mond das Wachstum. Daher soll zum Beispiel am besten in der Zeit des absteigenden Mondes
gesät werden. 

Maria Thun entwickelte aber auch ein «Ordnungsbild» für Pflanzen, bei dem die vier Elemente und die Tierkreiszeichen eine wichtige Rolle spielen – siehe Tabelle.
Ein dazugehöriger Kalender gibt an, wann Wurzel-, Blatt-, Frucht-
und Blütenpflanzen am besten gesät, gepflanzt, oder gepflegt werden sollen. 

 

 

Walderdbeeren kultivieren

Bei Weleda werden bis achtzig Kilo Walderdbeeren pro Jahr verarbeitet. Die beste Anbaumethode mussten die Gärtner erst selber finden. Denn Walderdbeeren vertragen keine Düngung. Es wurde gepröbelt, wie es den Pflanzen am wohlsten ist – drei Reihen pro Beet oder lieber vier? Lieber drei. Wie lange soll man sie stehen lassen? Zwei Jahre bewährten sich. Jäten oder nicht? In Massen.   

Schliesslich begann Hofmann, die Beeren zur Samengewinnung zu sammeln. Die überreifen Beeren werden zerquetscht und auf Papier gestrichen. Nach dem Trocknen können die Sämchen ausgesiebt werden. Für die jährlich rund 2500 Setzlinge braucht es ein bis zwei Gramm Samen.

Die Aussaat erfolgt Mitte Juni im Gewächshaus in Saatschalen. Zeigen sich die Keimblätter werden die Pflänzchen pikiert. Nachdem die ersten Blättchen gewachsen
sind, kommen die Pikierschalen hinaus auf die Stellfläche, um die Pflänzchen an Licht und Wärme zu gewöhnen. 

 

 

Buchtipp

Maria Thun, Gärtnern nach dem Mond, Kosmos Verlag, 224 Seiten, Fr. 23.90