In der Branchenorganisation BO Milch (auch BOM genannt) bestimmen 18 Organisationen der Milchproduzenten, 11 Unternehmen der Milchindustrie, 5 gewerbliche Käser und die Detailhändler Coop und Aldi die «Leitplanken» des Schweizer Milchmarktes. Wir fragten die relevanten Verbände der Schweizer Landwirtschaft und Wirtschaft:

  1. Welche Rolle spielt die BO Milch im Schweizer Milchmarkt?
  2. Was sollte die BO Milch besser machen?
  3. Was sollte die BO Milch nicht mehr machen?

Mit Lob und/oder Kritik geantwortet haben der Schweizer Bauernverband SBV, der Berner Bauern Verband (als grösster Kantonalverband), die Agrarallianz (vertritt 19 Organisationen aus Konsum, Umwelt, Tierwohl und Landwirtschaft), die IG Bauern Unternehmen (Interessengemeinschaft für «eine moderne, produzierende Landwirtschaft») und Big-M (Bäuerliche Interessengemeinschaft für fairen Milchmarkt).

AboSymbolbild der Käse-Produktion.Milchmarkt SchweizBranchenorganisation Milch nach 15 Jahren: Kann die BO Milch die Wertschöpfung gerecht verteilen?Samstag, 29. April 2023 Je nach Standpunkt loben die angefragten Verbände die BO Milch, weil sie die Akteure im Schweizer Milchmarkt an einen Tisch bringt» – was gleichzeit auch zur Kritik führt, dass «das Resultat naturgemäss immer eine Kompromisslösung» sei.

Kritisiert wird insbesondere, dass es der BO Milch «nicht gelungen ist, eine gerechte Verteilung der Wertschöpfung zu erreichen» und dass sie sich «von einzelnen Kräften zu stark ausbremsen» lasse.

Nicht antworten konnten oder wollten Avenir Suisse, Economie Suisse, IP Suisse, die Stiftung für Konsumentenschutz SKS und das Amt des Preisüberwachers.


Schweizer Bauernverband SBV (Martin Rufer, Direktor)

Schweizer Bauernverband SBV

  1. Die Branchenorganisationen, insbesondere die BO-Milch, legen wichtige Eckwerte für den Milchmarkt fest. Diese Eckwerte, insbesondere die Richtpreise, haben für die Milchwirtschaft eine sehr hohe Bedeutung. Entsprechend ist die Arbeit der BO Milch sehr wichtig.
  2. Die BO Milch, Butter und Milchpulver müssten die Weichen fürden Milchmarkt so stellen, dass in der Schweiz auch mittelfristig und langfristig Milch produziert wird. Dazu braucht es klare Perspektiven für die Milchproduzenten.
  3. Im Sinne einer schlanken Organisation sollten die Tätigkeiten der drei Branchenorganisationen BO Milch, BO Butter und BO Milchpulver in der BO Milch zusammengefasst werden.

Berner Bauern Verband (Karin Oesch, Geschäftsführerin)

Berner Bauern Verband

  1. Die BO Milch bringt die Akteure im Schweizer Milchmarkt an einen Tisch. Die Akteure sind in der Pflicht, die unterschiedlichen Anliegen ihrer Interessensgruppen zu vertreten. Das Resultat sind naturgemäss Kompromisslösungen.
  2. Die BO Milch muss vertiefter über Entscheide zur Richtpreis-Anpassungen kommunizieren, damit die Entscheide transparenter und verständlicher werden.
  3. Im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld wäre eine Richtpreis-Senkung für die Milchproduzenten nicht tragbar, die BO Milch hat daher unbedingt davon abzusehen.

Agrarallianz (Hansjürg Jäger, Geschäftsführer)

Agrarallianz

  1. Die Segmentierung ist komplex, aber doch sorgt die Branchenorganisation Milch für eine Mindestordnung und erhält Wertschöpfung im Markt für Molkereimilch. Die BO Milch bringt die Interessen von Milchhändlern, Verarbeitern, Milchproduzenten und Detailhändlern an einen Tisch. Und das ist im Wissen um die Meinungsvielfalt und die Geschichte der Schweizer Milchbranche eine beachtliche Leistung.
  2. Die BO Milch darf ihre Mitglieder zur engagierten Mitarbeit auffordern:
    – für (immer) bessere Milchpreise
    – für eine standortgerechte, grasland-basierte Milchproduktion
    – für das Miteinander von Konsument und Produzent
    – für Absatzchancen im Inland und Ausland
    – für Kostenwahrheit und Transparenz im Milchmarkt.
  3. Die BO Milch sollte sich nicht von einzelnen Kräften zu stark ausbremsen lassen.

Big-M Milchbauernorganisation (Werner Locher, Sekretär)

Big_M – Faire Milch

  1. Die Schweizer Milchwirtschaft braucht wie jeder andere Sektor eine funktionierende Branchenorganisation, damit wirklich alle Stufen der Kette an der Wertschöpfung beteiligt werden.
    Die BO Milch in der jetzigen Form funktioniert nicht. Von der Wertschöpfung kommt viel zu wenig bei den Milchviehbetrieben an.
    Da die Milchproduzenten keine Marktmacht haben, müssten sie von der BO Milch geschützt werden. Dies ist leider nicht der Fall. In den vergangenen vier Jahren haben deshalb weitere 10 Prozent der Milchbauern aufgegeben.
  2. Die Zusammensetzung der BO Milch ist seit Jahren in der Kritik. Da heute auf der Seite der Milchproduzenten mehrheitlich Milchkäufer sitzen, ist die Branchenorganisation nicht gezwungen, echte Kompromisse zu finden. Solange die Zusammensetzung so bleibt, wird sich nichts ändern.
  3. Die BO Milch hat sich erdreistet, den Parlamentsbeschluss zur Motion 19.3952 der WAK S zu ignorieren. Das Parlament hat ja mit einer historischen Mehrheit (nur 1 Gegenstimme in beiden Räten) beschlossen, dass im Standard-Milchkaufvertrag unter anderem die Lieferung von billiger B-Milch freiwillig sein soll. Wer sich über demokratisch gefällte Beschlüsse hinwegsetzt, macht die Schweiz zu einer Bananenrepublik.

Bauern Unternehmen (Samuel Guggisberg, Präsident)

Bauern Unternehmen

  1. Dank der BO Milch hat die Milchbranche nach der Aufhebung der Kontingentierung eine geregelte Situation mit einer gewissen Preisstabilität im Schweizer Milchmarkt erreicht.
    Die entstandene «Schoggigesetz»-Lücke konnte mit der Unterstützung der BO Milch geschlossen werden. Der Beitrag, der vom Bund direkt an die Milchproduzenten ausbezahlt wird, führt zu einer Aufbesserung der Milchpreise und ist effektiv an die Versorgungsleistung gebunden.
  2. Nach wie vor ist es der BO Milch nicht gelungen, eine gerechte Verteilung der Wertschöpfung zu erreichen. Während die Preise an der Ladentheke steigen, sinken bzw. sanken die Milchpreise bei steigenden Kosten. Das führt dazu, dass ein Grossteil der Milchproduzenten keine kostendeckenden Preise erreicht.
    Mit geschicktem Taktieren muss die BO Milch sowohl dem Einkaufstourismus als auch den Importen Einhalt bieten. Können hier keine Verbesserungen erreicht werden, drohen Marktanteilverluste bzw. zusätzliche Importe, was die gesamte Branche schwächt.
  3. Das Vetorecht der drei «Familien» (Produzenten, Verarbeiter und Handel) in der BO Milch wird zum Teil gegen die Milchproduzenten missbraucht.