Kurz & bündig

- Ueli und Karin Thöni ziehen in Brienz BE pro Jahr 400 Truten auf.
- Sie liefern während der Hotel-Saison etwa alle drei Wochen zehn Truten ans Grandhotel Giessbach.
- Dort verarbeiten Küchenchef Lukas Stalder und sein Team die Tiere.
- Das Grandhotel legt grossen Wert auf regionale Produkte.

DossierEin gepflegter Hofladen mit Produkten des eigenen Betriebs und Partnern: Wenn er erfolgreich ist, steckt nicht nur Zeit und Geld dahinter, sondern auch ein durchdachtes Marketingkonzept.AbsatzförderungMarketingMittwoch, 8. Dezember 2021 Der Hoteldirektor Mark von Weissenfluh kommt richtig ins Schwärmen, wenn er vom «Giessbach Honig» erzählt. Küchenchef Lukas Stalder ist begeistert von der Zusammenarbeit mit dem Betriebsleiterpaar Ueli und Karin Thöni aus Brienz: Das Grandhotel Giessbach in Brienz BE versucht, im Restaurant «Tapis Rouge» und im «Parkrestaurant» nachhaltig zu wirtschaften. Sie setzen soweit als möglich auf Schweizer Produkte, bevorzugt von lokalen (Bio-)Produzenten.

Dabei gehen sie pragmatisch vor: Statt Bio-Eier aus der halben Schweiz in die Küche hoch über dem Brienzersee zu transportieren, bevorzugen sie einen Produzenten aus dem Dorf Unterbach, das nur 6 Kilometer vom Hotel entfernt liegt.

Seit 2017 ist Mark von Weissenfluh Direktor, Lukas Stalder ist seit 2019 Küchenchef. Seither setzen die beiden ihren Wunsch nach Nachhaltigkeit Stück für Stück um. Auf die Truten ist Lukas Stalder auf seinem Arbeitsweg von Interlaken nach Brienz aufmerksam geworden: Ein Schild an der Autobahnausfahrt wirbt für Thönis Trutenfleisch. Seit April 2021 liefern Karin und Ueli Thöni nun etwa alle drei Wochen zehn Truten ans Hotel. [IMG 2]

«Unser Ziel ist, die Tiere komplett zu verarbeiten.»

Lukas Stalder, Küchenchef Grandhotel Giessbach

Ganze Tiere, betont Karin Thöni: «Das ist für uns eine enorme Arbeitserleichterung.» Denn der ganz grosse Aufwand bei der Trutenproduktion entstehe weder bei der Aufzucht noch der Schlachtung der Tiere, sondern in der Verarbeitung: «Pro Vogel müssen wir mit mindestens einer Stunde Arbeit fürs Ausbeinen und Vakuumieren rechnen.»

Seit 1998 produziert Ueli Thöni Truten. Der Landwirt stand damals vor der Hofübernahme, als ihm bewusst wurde, dass der Betrieb mit den zwölf Kühen zu klein war, um eine Familie zu ernähren. Auf der Suche nach einer Möglichkeit zur inneren Aufstockung stiess er auf die Truten. Obwohl seine Familie skeptisch war, wagt er den Schritt und zog die ersten Truten im Kuhstall auf, während die Kühe auf der Alp waren.

Haltung und Aufzucht hatte er während seiner Ausbildung zum Landwirt EFZ am Inforama Hondrich kennen gelernt, das Schlachten lernte er in einer Metzgerei in Freimettigen BE.

Beim Neubau des Wohnhauses 2002 wurde ein Schlacht- und Verarbeitungslokal integriert. Seit 2003 haben Karin und Ueli Thöni einen grosszügigen Stall für ihre Truten.

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Betriebsspiegel Stägmatte

Ueli und Karin Thöni, Brienz BE
LN: 31 ha
Bewirtschaftung: Bio
Kulturen: Natur- und Kunstwiesen
Tierbestand: 30 Kühe und eigene Nachzucht, 400 Truten/Jahr(rund acht Umtriebe pro Jahr)
Weitere Betriebszweige: Drei Plätze für betreutes Wohnen
Arbeitskräfte: Betriebsleiterfamilie mit den vier Kindern

Das Grandhotel Giessbach gehört – mit einem Unterbruch, als der Küchenchef wechselte – seit Beginn zu Thönis grössten Kunden. Was nicht ins Giessbach geht, verkaufen Thönis ab Hof. Sie verarbeiten ihre Truten auch zu Hamburgern und Bratwürsten, die Trockenwürste stellt der lokale Metzger her. Eigentlich haben Thönis im Sommer Truten-Pause und widmen sich der Futterernte für die Milchkühe und die Nachzucht-Rinder.

Auch im Sommer ziehen Thönis Truten auf, extra fürs Grandhotel Giessbach

Da jedoch gerade im Sommer im Grandhotel Club-Sandwiches mit Trute und Hamburger mit langsam gegartem, vom Knochen gezupften Trutenfleisch gefragt sind, ziehen Thönis nun auch im Sommer Truten auf.

Zirka alle sechs Wochen liefert die Wüthrich Geflügel AG aus Belp BE zwischen 30 und 60 sechs Wochen alte Trutenküken nach Brienz. Bei Thönis dürfen die Tiere in einen gedeckten Freilauf und auf die Weide, wenn es das Wetter erlaubt. Die Fütterung erfolgt mit Futter von der Mühle Burgholz vollautomatisch.

Mit etwa 3,5 Monaten werden zuerst die weiblichen Tiere geschlachtet, die zwischen acht und neun Kilo schwer sind. Die Hähne folgen etwas später, mit einem Schlachtgewicht von rund 15 Kilo. Küchenchef Stalder nimmt Thönis die Hähne gerne ab: Mit seinem Team zerlegt er sie in der Giessbach-Küche.

Er schätzt die Truten als Geflügel mit hohem Fleischanteil und will die Tiere komplett verarbeiten:[IMG 5]

  • Das Brustfleisch wird am Stück gekocht, kalt aufgeschnitten und für Club-Sandwiches verwendet.
  • Die Schenkel werden langsam gegart, das vom Knochen gezupfte Fleisch zu «Nobel-Hamburgern» für die Abendkarte verarbeitet.
  • Die Knochen werden zu einer Marinade für das Schenkelfleisch verarbeitet.
  • Die Leber wird zu Terrine oder als Pastete zubereitet.

Thönis haben einen stabilen Absatz, der während der Pandemie sogar zugenommen hat. Sie vermarkten die ganze Produktion direkt, die Kunden holen die Produkte bei ihnen auf dem Betrieb ab. Den Preis geben sie vor, auch dem Grandhotel. Dafür gehen sie auf die Wünsche des Küchenchefs ein und liefern nach seinen Anforderungen. «Das klappt bestens», sagt Stalder, er habe bis jetzt kaum je Trutenfleisch zukaufen müssen.

In der Hotelküche bereiten die Köche jedoch nicht nur Thönis Truten zu. Das Kalbfleisch stammt vom Hof neben dem Hotel. Pro Saison landen zwei der Kälber, die neben dem Hotel weiden, in Stalders Pfanne. Die Schweine bezieht er über die Produzentenorganisation «Buurehofsäuli», der Fisch stammt aus dem Brienzersee und von der Rubigenhof Fischzucht AG aus Rubigen BE.

Hoteldirektor Mark von Weissenfluh erinnert an die Geschichte des historischen Hotels: «Der Schweizer Umweltschützer Franz Weber und seine Frau Judith haben das Hotel 1983 vor dem Abbruch gerettet. Dieser Einfluss ist bei uns spürbar, wir fühlen uns seinen Ideen verbunden.» Der «Giessbach-Geist», der auf einen sorgfältigen, respektvollen Umgang mit Natur und Mensch pocht, solle spürbar sein. Dazu gehört für ihn die Zusammenarbeit mit lokalen Produzenten.

Wer als Landwirt Interesse an einer Zusammenarbeit hat, soll auf Hotels zugehen

Landwirten, die gerne in den Gastrokanal liefern möchten, empfiehlt er, aktiv auf Hotels und Restaurants zuzugehen. Bei ihm sei das auch schon der Fall gewesen. Seinen Imker Heinz Gertsch aus dem Nachbarsdorf Iseltwald etwa habe er kennengelernt, weil er ihm bei Waldspaziergängen begegnet sei: Anfangs habe sich Heinz Gertsch die Zusammenarbeit mit dem «noblen» Hotel nicht so recht vorstellen können.

Mittlerweile summen die zwanzig Bienenvölker auf dem ganzen Gelände des Grandhotels herum und machen nicht nur die Gemüsegärtnerinnen glücklich. Sondern auch die Hotelgäste, die zum Frühstück «Giessbach Honig» aufs Brot streichen.

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Grandhotel Giessbach: Geschützt und gepflegt

Erbaut wurde das Grandhotel Giessbach in Brienz BE von 1873 bis 1875 durch den französischen Architekten Horace Edouard Davinet. Über Jahrzehnte war das Grandhotel der Treffpunkt der Schöne, Reichen und künstlerisch Begabten. Nach dem Zweiten Weltkrieg verblasste der Glanz, das Hotel wurde 1979 geschlossen. Den Abbruchplänen widersetzte sich der Umweltschützer Franz Weber erfolgreich: Mit Hilfe seiner Vereinigung Helvetia Nostra und der von ihm gegründeten «Stiftung Giessbach dem Schweizervolk» konnte er die Giessbach-Domäne samt ihren 22 ha Grundeigentum kaufen und unter Denkmalschutz stellen.

Heute hat sich das historische Hotel mit der Standseilbahn erfolgreich einen Platz in der Schweizer Hotelszene erobert, unter anderem mit einem Kulturprogramm und einer exklusiven Konzertreihe mit nationalen und internationalen KünstlerInnen.

 

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Der Garten bestimmt das Menü

Das Grandhotel Giessbach produziert sämtliche Kräuter, essbaren Blüten und Blumen selber. Landschaftsgärtnerin Birgit Siemens, Zierpflanzen-Gärtnerin und Floristin Hélène Forrer und Gemüsegärtnerin Johanna Becker bearbeiten einen Gemüsegarten (1000 m2) und zwei Gewächshäuser, auf dem ganzen Areal wachsen Kräuter. Eine Garten-Assistentin ergänzt das Team.

Die Ernte aus dem Gemüsegarten gibt der Küche des «Tapis-Rouge»-Restaurants das Menü vor: In enger Zusammenarbeit mit der dort verantwortlichen Küchenchefin Barbara Blaser bepflanzen die Gärtnerinnen die Beete, hegen und pflegen die Pflanzen. Wie die Ernte ausfällt, ist jedoch abhängig vom Wetter – und dem Appetit der Schnecken und des Dachses. Die Köchinnen und Köche des Restaurants stellen sich darauf ein und verarbeiten, was im Garten wächst. Bei Bedarf – und fürs «Parkrestaurant» – kaufen sie jedoch (Schweizer) Gemüse zu.

Plattform für Landwirte und Gastronomen

Der SBV, Gastro Suisse und Hotellerie Suisse haben Ende 2019 die Plattform Land.Gast.Wirt ins Leben gerufen. Die Idee: ProduzentInnen und GastronomInnen kommen miteinander in Kontakt, die Produzenten finden AbnehmerInnen für ihre Produkte, die GastronomInnen können saisonale Produkte aus der Region anbieten. Wegen der Corona-Pandemie wurde das Projekt auf Eis gelegt und konnte noch nicht richtig Fahrt aufnehmen. Aktuell sind auf der Plattform 153 Bauernfamilien und 60 GastronomInnen vertreten.

Jasmin Vultier vom SBV schreibt, dass Land.Gast.Wirt vorläufig nur in reduzierter Form bei den Produzenten beworben werde, da die Gastro-Branche noch immer unter den Pandemie-Folgen leide. Wer aber mitmachen will, kann sich auf der Plattform anmelden.