Kurz & bündig

- Das Engagement bei Agro-Image und «Schule auf dem Bauernhof» schafft bei Kindern und Jugendlichen Nähe zur Schweizer Landwirtschaft.
- Beide Angebote sind regional organisiert, Interessierte sind sehr willkommen.
- Agro-Image vermittelt komplexere Zusammenhänge für die Oberstufe, bei SchuB steht das Erlebnis stärker im Zentrum.

Zwei Stunden reichen, damit ein Kind sein Bild vom Bauernhof ändert: Das fasziniert Vroni Peterhans (59) auch nach zwanzig Jahren «Schule auf dem Bauernhof». «Anfangs rümpfen die Kinder ihre Nase, am Ende finden sie die nasse Nase der Kuh toll», erzählt sie.

Peterhans ist Primarlehrerin, Bäuerin und Mutter von fünf Kindern. Anfangs waren es die Klassen ihrer Kinder, die den Betrieb besucht haben. Heute besuchen 20 bis 30 Klassen pro Jahr die Betriebsgemeinschaft Agrino, welche die Aargauer Landwirtschaftsbetriebe Algier in Busslingen/Remetschwil, Vogelrüti in Vogelrüti/Niederrohrdorf und Weidhof in Oberrohrdorf bewirtschaftet.

Vorbereitung für Besuche der Schulklassen ist nicht zu unterschätzen

Die Vorbereitungen seien nicht zu unterschätzten, betont Vroni Peterhans. Sie dauern bei einem halbtägigen Besuch mindestens drei Stunden, dazu brauche sie die Unterstützung der Agrino-Mitarbeitenden, etwa fürs Bereitstellen der Traktoren oder um zu zeigen, wie gross ein Heuhaufen ist, den eine Kuh täglich frisst.

Ihr kommt die Grösse der Betriebsgemeinschaft entgegen und auch, dass ihre Schwiegertochter Marcia Peterhans, die bei Agro-Image aktiv mitmacht, für sie einspringen könne. Die Entlöhnung von 70 Franken pro Unterrichtsstunde im Kanton Aargau findet Vroni Peterhans wegen der aufwändigen Vorbereitung deshalb auch angemessen: «Ein finanziell einträglicher Betriebszweig ist SchuB nicht. Aber ich finde es wichtig, Kindern eine Nähe zur Landwirtschaft zu vermitteln.»

«Schule auf dem Bauernhof»

Das Angebot «Schule auf dem Bauernhof» gibt es seit rund 40 Jahren. Rund 380 Bauernfamilien in der ganzen Schweiz empfangen Klassen auf ihrem Hof. Rund 3000 Schulklassen mit über 50'000 Kindern und Jugendlichen profitieren jedes Jahr davon. Das Angebot ist für die Klassen kostenpflichtig, die Preise sind je nach Kanton unterschiedlich.

«Eigentlich wären mehrmalige Hofbesuche begrüssenswert», sagt Andreas Reichmuth, Projektleiter «Schule auf dem Bauernhof». Doch es sei auch eine Finanz- und Zeitfrage, wie viele Schulklassen wie oft auf einem Betrieb empfangen werden können.

Bei politischen Diskussionen: Neutrale Haltung bewahren, aber Fakten klarstellen

Reichmuth ist es wichtig, dass bei den Besuchen kein Abstimmungskampf betrieben wird. Dennoch betont er: «Gerade in Zusammenhang mit den Tieren ist uns auch wichtig, dass die Kinder die Bedürfnisse der Nutztiere kennenlernen und auf dem Hof sehen und erleben, dass die Schweizer Bäuerinnen und Bauern in der grossen Mehrheit gut mit ihren Tieren umgehen.»
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«Es kommt auch zu Aha-Erlebnissen bei den Erwachsenen.»

Andreas Reichmuth, «Schule auf dem Bauernhof»

Dem schliesst sich auch Marcia Peterhans an, die für Agro-Image in den Klassenzimmern steht und Oberstufen-SchülerInnen Wissen über die Landwirtschaft vermittelt. Die 31-Jährige ist Konstrukteurin und Bäuerin mit Fachausweis.

Kommt es zu politischen Diskussionen, versucht Peterhans, auf der Sachebene Inhalte zu vermitteln. «Meine Aufgabe ist es, Denkanstösse zu geben und nicht, jemanden von meiner Meinung zu überzeugen.» Das falle ab und zu schwer, wenn sie Argumente nicht nachvollziehen könne, aber sie lasse diese dann stehen.

Diese Haltung stützt Manon Camille Nyfeler, die Geschäftsleiterin von Agro-Image. Während dem emotional sehr aufgeladenen Abstimmungskampf im Jahr 2021 sei es schwierig gewesen, doch die Organisation habe an der neutralen Haltung bewusst festgehalten.

Andreas Reichmuth von SchuB sagt, dass extrem kritisch eingestellte Lehrpersonen kaum Betriebe besuchen würden. Doch romantisch verklärte oder schlicht falsche Vorstellungen von der Nahrungsmittelproduktion auf einem Hof gebe es – und dadurch komme es schon in der Vorbereitung zu dem einen oder anderen «Aha-Erlebnis» auf Erwachsenenebene.

Auf der Oberstufe Inhalte und weniger Erlebnisse vermitteln

Marcia Peterhans ist seit 2019 bei Agro-Image dabei. Die letzten zwei Jahre seien wegen der Pandemie schwierig gewesen, sagt sie. Doch grundsätzlich betreut sie zwei bis vier Klassen pro Jahr und koordiniert die Anfragen in der Zentralschweiz.

Das Team besteht aus elf ReferentInnen, welche in den Kantonen Luzern, Aargau, Schwyz, Obwalden und Nidwalden unterwegs sind. Kommt eine Anfrage, stellt sie diese in den internen Chat, hakt nach, leitet die Infos weiter und trägt in eine Liste ein, wer wo unterwegs war.

Vorurteilen im Klassenzimmer mit konkreten Erlebnissen begegnen

Sie selber steht gerne im Schulzimmer und findet es problemlos, dass der Besuch nicht vor Ort stattfindet: «Ich versuche, den Hof mit ins Klassenzimmer zu nehmen.» Dem Vorurteil, dass es auf einem Bauernhof stinke, begegnet sie mit Gläsern voller Silofutter, an welchem die Jugendlichen riechen können. Den Einblick in den Betriebsalltag erhalten die SchülerInnen der Oberstufe somit zwar nicht live vor Ort, aber mit Material zum Anfassen. Bei Agro-Image geht es darum, komplexere Zusammenhänge der Produktion von Nahrungsmitteln zu vermitteln. Was einem als Referentin – ähnlich wie bei SchuB – bewusst sein müsse: «Es gibt keinen grossen Lohn.» Ihr sei die Wissensvermittlung jedoch sehr wichtig.

Agro-Image

Das Angebot «Agro-Image» gibt es seit 1995. Fachpersonen aus der Landwirtschaft vermitteln OberstufenschülerInnen im Klassenzimmer Grundlagenwissen und Zusammenhänge über Landwirtschaft und die Produktion von Lebensmitteln.

Das Angebot ist für die Klassen kostenlos und orientiert sich am Lehrplan 21.

Agro-Image arbeitet schweizweit mit etwa 60 ReferentInnen. Alles sind Fachpersonen aus der Landwirtschaft, LandwirtInnen, Bäuerinnen, Personen in einer landwirtschaftlichen Ausbildung, auch Studenten der Hochschule für Agronomie-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften. «Wir suchen laufend interessierte Personen», sagt Manon Camille Nyfeler. 

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«Denkanstösse geben und Wissen vermitteln»

Manon Camille Nyfeler, Agro-Image

Die Jugendlichen, welche Agro-Image-Lektionen erleben, sollen sowohl Denkanstösse erhalten wie Wissen vermittelt bekommen. «Denn heute ist die Distanz zur Landwirtschaft oft sehr viel grösser als früher, als viele noch Landwirte in der Familie hatten», so Nyfeler.

Deshalb findet sie mindestens einen direkten Kontakt mit einem Landwirtschaftsbetrieb während der Schulzeit – sei es durch einen Hofbesuch oder durch eine Fachperson an der Schule – äusserst wünschenswert, wenn nicht sogar zwingend nötig. «Idealerweise wird das Thema in der Unterstufe bereits eingebunden und in der Oberstufe nochmals vertieft.»

 

Kommentar von Dominique Eva Rast:
Aufklären statt verklären

Welches Landwirtschafts-Bild wird in der Schule vermittelt? Kein verklärtes, romantisierendes, falls die Schülerinnen und Schüler in den Genuss von «Schule auf dem Bauern-hof» oder Agro-Image kommen. Das «falls» hat einen schalen Beigeschmack. Denn ist es tatsächlich die Aufgabe der Lehrerinnen und Lehrer, den Kindern beizubringen, dass die Milch körperwarm aus der Kuh kommt und nicht gut gekühlt aus dem Laden? Und ist es Aufgabe der Bäuerinnen und Landwirte, (wichtige) Aufklärungsarbeit zu verrichten? Zum einen Ja: Den eigenen Berufsstand nach aussen zu vertreten gehört zum Job und lässt sich nicht delegieren.

Dennoch ist es die Aufgabe der Eltern, ihren Kindern klar zu machen, dass das Fleisch im Schinkenbrot vor nicht all zu langer Zeit ein Schwein war. Es gehört zur Erziehung von Kindern, ihnen beizubringen, mit Lebensmitteln sorgfältig umzugehen und LandwirtInnen mit Respekt zu begegnen. Denn LandwirtInnen produzieren mit grossem Einsatz, was täglich auf den Tisch kommt. Nicht die Grossverteiler und auch nicht diejenigen, die verklärte, kitschige Bilder verwenden, um Produkte zu verkaufen.