Chinchillas sind 22 bis 38 Zentimeter grosse Nagetiere aus den südamerikanischen Anden. Es gibt die zwei Arten Kurzschwanz und Langschwanz, deren Lebensräume sich kaum überdecken. Sie bewohnen felsige Gebiete in Höhen von bis zu 4000 Metern, wo es sehr trocken und kühl ist und wo nur spärlich Pflanzen wachsen. An dieses harsche Klima und das Nahrungsangebot haben sich die Tiere perfekt angepasst. Sie fressen Steppengräser, Blätter, Rinden niedriger Büsche und Wurzeln. Auf Futtersuche gehen sie in der Dunkelheit, tagsüber schlafen sie in Felsspalten und in Höhlen, wo sie auch ihren Nachwuchs zur Welt bringen.

Bereits die Inkas jagten die Nager ihres Felles wegen. Europäische Kolonialisten kommerzialisierten die Bejagung im 19. Jahrhundert. Um 1900 soll Chile jährlich eine halbe Million Chinchilla-Felle exportiert haben. Die Zahl der Populationen brach ein. Heute sind beide Arten «vom Aussterben bedroht» gelistet. Die Wilderei ging in diesen unzugänglichen Bergregionen auch weiter, nachdem die Andenstaaten wild lebende Chinchillas 1910 unter Schutz gestellt hatten.

In den 1920er-Jahren entstanden in Chile und in den USA die ersten Chinchilla-Farmen. In Kalifornien züchtete man die Tiere, die man für die Pelzproduktion verwendet und die Menschen seit etwa 30 Jahren zu Hause halten. Die Unterscheidung in Kurzschwanz- und Langschwanz-Chinchillas ist nicht mehr auszumachen. Der «Heimtier-Chinchilla» sei eigentlich eine dritte Art, sagt Corinne Zollinger, die die Tiere seit zehn Jahren hält.

Sie haben ein eigenes Reich im Sous-Sol ihres Einfamilienhauses im aargauischen Dintikon. Es riecht nach frischem Heu. Ab und zu hört man ein Rascheln, gurgelartige Töne und ein «Mimimi Mimimi». Ansonsten herrscht Stille. Es ist morgens und Schlafenszeit für die 14 Nager. In einer Voliere kuscheln zwei weisses Fellknäuel ganz hinten in der Ecke auf einem Brett, ihre grossen, zart rosafarbigen Ohren wackeln rhythmisch im Takt ihres Atems hin und her.

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Nebenan zeigt der Sohn in einer Röhre liegend nur sein Hinterteil, während sein Vater gerade herausgekrochen kommt, um es sich woanders gemütlich zu machen. Im Gehege gegenüber döst ein Zuchtpaar mit seinem Jungtier. Das Fell der Mutter ist beige, jenes des Vaters braun – und das des Sohnes schwarz. «Der Nachwuchs ist eine farbliche Wundertüte», bestätigt Zollinger. Man wisse nie, was rauskomme. Eines ihrer Weibchen bekomme immer drei Babys, mal seien alle braun, mal gebe es ein weisses, ein braunes und ein schwarzes Jungtier.

Herzig, pflegeleicht und langlebig

In der Wildnis sind Chinchillas hell- bis dunkelgrau und kurzhaarig. Durch Zucht entstanden viele Farben, von Weiss über Beige, Blaugrau und Violett bis Schwarz. Die Braunschecken haben ein weisses Fell und irgendwo am Körper einen braunen Flecken. Zollinger züchtet langhaarige Angora-Chinchillas und favorisiert dabei Schecken, braun und schwarz.

In einem ihrer Gehege mümmeln auch drei kurzhaarige, mittelgraue Tierchen. Eines wacht kurz auf und schaut den Besuch aus seinen unwiderstehlichen schwarzen Knopfaugen an. Die drei Weibchen im Alter von 14 und 2 Jahren sind Abgabe-Tiere. «Ich wurde angefragt, ob ich sie nicht übernehmen könne, da sie nicht mehr gehalten werden können. Jetzt suche ich einen Platz für sie.» Das Trio soll zusammenbleiben: «Sie sind aneinander gewöhnt. Es wäre unsinnig, sie auseinanderzureissen.» Sicher zwei- bis dreimal pro Monat bekommt die erfahrene Züchterin solche Anfragen. «Aber ich kann nicht immer helfen.» Meist melden sich die Menschen, nachdem eines ihrer Tiere gestorben ist. Chinchillas dürfen in der Schweiz nicht einzeln gehalten werden. Da sie meist über 15 Jahre alt werden, zaudern ihre Halterinnen aber häufig mit dem Kauf eines neuen Gschpänlis.

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Auch Corinne Zollinger kam nach dem Tod eines Haustieres zu Chinchillas. «Nachdem mein Hamster gestorben war, wollte ich wieder ein Käfigtier. Aber es sollte eines sein, das länger lebt als Hamster», erinnert sie sich. Ihr Mann Yves habe dann Chinchillas als Idee eingebracht. Sie habe im Internet Videos geschaut und einen komplett falschen Eindruck bekommen. «Dort sieht man einzeln gehaltene und dressierte Chinchillas», sagt Zollinger kopfschüttelnd. Ein Chinchilla brauche schon alleine deshalb einen Partner, weil er sich seinen Popo nicht selber putzen könne, betont sie. In der Wildnis leben die kleinen Nager in grossen Kolonien von bis zu 100 Tieren. «Sie brauchen das gemeinsame Kuscheln und Zusammenschlafen», bestätigt Zollinger, die die irritierenden Videos nicht auf sich sitzen liess und einen Züchter besuchte. Da war es um sie geschehen. «Sie sind schlau, herzig, pflegeleicht, da sie nur Getrocknetes essen, stinken nicht und leben lange», umreisst Zollinger die Faszination Chinchilla.

Und während sie tagsüber schlafen, geht die Post ab, kaum setzt die Dämmerung ein. Früher ging sie nach der Arbeit zu ihren Chinchillas. Heute nimmt sie die mittlerweile fünfjährige Tochter Celine mit, wenn sie die Käfigtüren öffnet. Am Boden sitzend schauen sie zu, wie eine Gruppe nach der anderen im ganzen Raum herumtobt. «Celine darf ihnen Gudelis hinstrecken, sie aber nie selbst hochheben oder in die Hand nehmen.»

Denn so knuddelig Chinchillas aussehen, sie sind keine Herumtragetiere. Handzahm können sie durchaus werden. «Einige meiner Tiere betteln regelrecht um Aufmerksamkeit und klopfen am Abend an die Käfige.» Komme ein Chinchilla zu ihr hin, könne sie ihn auch auf die Hand nehmen, sagt sie und zeigt mit dem schwarzen Zorro, wie es geht: Nie am Schwanz packen, sondern von unten auf die Hand nehmen und schauen, dass sich alle vier Pfötchen darauf befinden. Dann fixiert sie ihn mit der anderen Hand, damit er nicht weghüpfen kann.

«Chinchillas sind schusslig», erklärt Zollinger die Vorsichtsmassnahme. Diesem Umstand muss man auch bei der Einrichtung und Grösse der Käfige Rechnung tragen. Ihre haben als Grundfläche einen mal einen Meter und sind 1,8 Meter hoch. «Wenn aber einer zuoberst einschläft, sich erschreckt und dann zwei Meter in die Tiefe fällt, kann dies fatal sein.» Deshalb rät sie zu einem Zwischenboden in der Mitte der Höhe. Bei der Einrichtung sei darauf zu achten, dass die Gegenstände keine Kanten haben, an denen sich die Tiere beim Springen stossen und innere Blutungen erleiden könnten.

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Männchen sind tolle Väter

Um ihren Bewegungsdrang ausleben zu können, brauchen Chinchillas Sitzbretter auf verschiedenen Höhen, Äste und harte Hölzer zum Spielen, Darüberspringen und Daraufsitzen sowie mehrere Tongefässe und Röhren aus Kork oder Holz zum Schlafen. «Alles, was wegfliegen kann, muss auf einem festen Boden stehen oder in der Wand angeschraubt sein», betont Zollinger. Falle es beim Spielen herunter, könnte es einen Chinchilla erdrücken.

Bei der Einrichtung sei ausserdem unbedingt darauf zu achten, dass man keine Häuschen oder Boxen aus Weichholz kaufe. Die biete der Zoohandel zwar an, aber vor Chinchilla-Zähnen ist nichts sicher. Nagen sie an weichem Holz herum, können Spriessen zu lebensgefährlichen Abszessen führen.

Wer sich für einen Chinchilla interessiert, muss Zollinger die geplante Haltung mit Fotos dokumentieren. Doch vor dem Bau oder Kauf eines Käfigs ist zu prüfen, ob Mensch und Chinchilla überhaupt zusammenpassen. «Gut sind gesetztere Personen, denn die Tiere reagieren stark auf nervöse, unruhige Menschen», erklärt Zollinger. Wenn der Nachwuchs sechs Wochen alt ist, können Interessierte ihn besuchen. Wenig später zieht sich die Mutter von der Aufzucht zurück – und der Vater übernimmt. «Die Männchen sind supertolle Papis», schwärmt Zollinger. «Sie helfen den Jungtieren beim Putzen und zeigen ihnen, wie sie zwischen Brettern und Hölzern rauf und runter kommen.»

Mit zwölf Wochen ist der Nachwuchs dann bereit, zu seiner neuen Familie zu ziehen. Für Kinder aber gibt Corinne Zollinger keine Chinchillas ab, es müssen immer die Tiere der Eltern sein. Und schliesslich gehören Chinchilla-Gehege nie in Schlafzimmer, denn an Schlaf sei nicht mehr zu denken: «Da bekommt das Wort Nervensäge eine ganz neue Bedeutung.»


Haltungstipps

  • Einzelhaltung ist in der Schweiz verboten. Gut eignen sich ein Weibchen mit einem Männchen oder ein Männchen mit zwei Weibchen – in beiden Fällen die Böcke kastrieren. Dies reduziert das Aggressionspotenzial und empfiehlt sich auch für reine Männchengruppen. Nicht mehr als drei Tiere in einer Weibchengruppe.
     
  •  Chinchillas sind keine Schmusetiere zum Herumtragen – und deshalb als Haustiere für Kinder ungeeignet. Ideal sind sie für Erwachsene, die sie nach der Arbeit gerne beobachten und sich mit ihnen beschäftigen.
     
  • Ideal sind nagersicher ausgestattete Zimmer, in dem sie abends auch frei herumtoben können. Sie brauchen viel Platz in der Breite, Tiefe und Höhe, da sie gerne rennen, klettern und dreidimensional springen.
     
  • Einrichtung mit Schlafhöhlen und Sitzbrettern auf verschiedenen Höhen, Ästen aus harten Hölzern, Tongefässen und Röhren aus Kork oder Holz.
     
  • Grosses Sandbad für die Fellpflege und zum Stressabbau. Immer den beigen «Acapulco-Sand» nehmen. Nicht geeignet sind Vogelsand und trotz seines Namens der graue «Chinchilla-Sand»; letzterer ist zu fein und verklumpt im Fell.
     
  • Stets viel frisches Wasser und genügend Heu anbieten, dazu Pellets sowie Blätter-, Blüten- oder Kräutermischungen. Nur Getrocknetes füttern. Frischware ist tabu, da sie im Magen gärt. Chinchillas haben eine sehr empfindliche Darmflora und sind aus ihrer Heimat an karge, rein pflanzliche Nahrung gewöhnt.
  • Gehege täglich reinigen, da mangelnde Hygiene zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Schmutzige Einstreu entfernen und Kot aus Sand sieben. Einstreu und Sand regelmässig komplett austauschen. Einstreu nie auf die Bretter, da sie hinein-urinieren, sondern nur auf der Grundfläche.