Eigentlich ist der Freiberger das ureigene Schweizer Pferd. Beim Einlesen ins Thema «Agrotourismus» beschleicht mich jedoch von Tag zu Tag stärker 
das Gefühl, dass der gute Freiberger vom Amtsschimmel verdrängt wird. Herdenweise wiehern die Gäule in der Schweiz: Einen Aufenthaltsraum bauen, damit die Gäste nicht in der Wohnung der Bauernfamilie herumsitzt? Vielleicht, unter Umständen, wenn es gerade in den Kram des Kantons, der Gemeinde oder einer der unzähligen Fachstellen passt. Grundsätzlich geht das nicht: Das Raumplanungsgesetz lässt 100 Quadratmeter zu. Das sind 10 auf 10 Meter – wird eng im Aufenthaltsraum. Vor allem, wenn auch noch eine Dusche Platz finden soll ...

Frühstück oder Znacht auf dem Hof? Derselbe Wirrwarr. In manchen Kantonen braucht es ein Wirtepatent, in anderen nicht. Und wer fragt, ist höchstwahrscheinlich am Ende so frustriert, dass er auf ein Angebot verzichtet. Oder besucht den Kurs, um dann ein Jahr später zu erfahren, dass es nun wieder eine Änderung gibt.

In Deutschland und Österreich sind die Rahmenbedingungen anders, vorteilhafter, die Angebote werden von der EU und den Bundesländern gefördert. Der Verein «Ferien auf dem Bauernhof» besuchte auf seiner Studienreise in Baden-Württemberg einen Erlebnis-Bauernhof in Bad Saulgau: 300 ha Land, 250 Stück Rindvieh, davon etwa 
120 Milchkühe, zwei Melkroboter, Futterroboter, Biogas
anlage und – das brachte die Teilnehmer am meisten zum Staunen– elf Ferienwohnungen, dazu Wohnungen für Monteure, ein Hofladen, ein Seminarraum und Platz für Anlässe.

Das Fazit der Studienreise: «Geld vom Staat bräuchten wir in der Schweiz gar nicht – nur eine Gesetz
gebung, die uns erlauben würde, Projekte ohne jahrelange Wartefrist umsetzen zu können.»

Das ist kein Plädoyer dafür, den letzten Stall im Tal zu einem hippen Hotel umzubauen und massenhaft Ferienwohnung zu erstellen. Denn Hipster kommen und gehen, Gäste hingegen sind im besten Fall neugierig und kommen jedes Jahr wieder. Den Schweizer Landwirten bläst gerade ein rauer Wind ins Gesicht. Das Gefühl, an allem schuld zu sein, was in diesem Land und auf der Welt schief läuft, tut weh. «Schlafen im Stroh», «Schule auf dem Bauernhof», «Übernachten im Gästezimmer»: Das sind Angebote für die Konsumentinnen und Konsumenten, das wahre Leben auf einem Bauernhof 
zu sehen. Nicht die «Disneyland-Landwirtschaft», die auf 
den Werbeplakaten und in den TV-Spots der Grossverteiler zu sehen ist.


Sondern die Realität: Die besteht auch darin, dass eine Landwirtin auswärts arbeiten muss, um die Familie mit zu ernähren. Und dann nach acht Stunden im Büro noch einer Gruppe Znacht kocht, die bei ihr im Stroh übernachtet. Danach legt sie sich nicht ins Bett, sondern kümmert sich um die Tiere oder um den Papierkram. Um vor 5 Uhr, wenn die Gäste noch im Stroh schnarchen, wieder auf den Beinen zu sein.

Agrotourismus kann ein finanziell lohnender Betriebszweig sein. Was er dazu an Image-Korrektur leistet, ist nicht mit Geld aufzuwiegen. Dass dieser Einsatz nicht honoriert wird, ist das eine. Dass die Hürden, diese Image-Korrektur aktiv anzupacken, so hoch und so wenig nachvollziehbar sind, 
ist schwer zu verstehen.