Mit dem Ende des Sommers und somit kühleren Temperaturen beginnt für viele die Sauerkraut-Saison. Doch auch der für die Sauerkrautproduktion benötigte Chabis hat diesen Sommer stark gelitten. Denn der Sommer 2021 geht wettertechnisch wohl in die Geschichtsbücher ein. Der Hagelsturm von Ende Juni hat in weiten Teilen des Seelands grosse Schäden angerichtet. So auch beim Chabis. Der Ausfall ist so gross, dass sich die traditionelle Seeländer Firma Dreyer AG aus Gerolfingen, welche seit über 100 Jahren Sauerkraut und Sauerrüben produziert, gezwungen sieht, einen Grossteil des benötigten Rohstoffs Chabis zu importieren.

Die Dreyer AG informiert transparent

Die Firma kommuniziert dies offen in den Sozialen Medien. Zudem ist die veränderte Herkunft auf den Verpackungen klar ersichtlich. David Dreyer, Mitglied der Geschäftsführung, erklärt auf Nachfrage: «Ein Lebensmittelverarbeiter kann es sich nicht erlauben bei der Herkunft des Rohstoffes zu mauscheln. Und schon gar nicht bei einem so traditionsreichen Produkt wie Suurchabis.» Aber er gesteht, dass da schon etwas Scham mitschwinge, diesen Schritt gehen zu müssen. Vor zehn Jahren sei es das letzte Mal vorgekommen, dass die Firma, die pro Jahr gesamthaft rund 1500 Tonnen Chabis und Rüben verarbeitet, Chabis importieren musste. Die Dreyer AG hat sich bewusst für den Import von Rohware und gegen bereits gesäuerten Chabis entschieden. «Nur so werden wir unserem Qualitätsanspruch an authentischen Geschmack und den langen Schnitt gerecht», wird über den Import informiert.

Viele Abklärungen wegen dem nötigen Import sind notwendig

Die Importware stammt aus Polen, Deutschland und den Niederlanden. Aber nur mit dem Import sei es noch lange nicht getan, erzählt David Dreyer. Die Firma trägt für alle ihre Produkte das Label Suisse Garantie. Ab diesem Jahr wird auch ein grosser Teil unter IP-Suisse vermarktet. Als klar wurde, dass auf Importware ausgewichen werden müsse, habe er früh mit den zuständigen Behörden Kontakt aufgenommen, um zu klären, wie mit der Situation umgegangen werden muss.

Nun sind die Konsumentinnen gefragt

Ausserdem musste ein Antrag für Industrie-Importgemüse gestellt werden. Dies wird meist erst bewilligt, wenn die hiesige Ware komplett abgeerntet und ersichtlich ist, wie viel Ware fehlt. Dreyers mussten aber frühzeitig handeln und konnten nicht warten, bis die Ernte abgeschlossen ist. Aus diesem Grund sei auch nicht die komplette Menge der beantragten 500 Tonnen Chabis bewilligt worden. Die Menge werde aber nur dann vollumfänglich importiert, wenn das Sauerkraut mit ausländischen Chabis auch vom Markt (sprich den Konsumentinnen) akzeptiert wird. «Wir importieren nicht, was nicht verkauft werden kann», betont David Dreyer. [IMG 2]

Viel Planung und ein grosser Mehraufwand ist notwendig

Weiter musste das Problem mit der Verpackung gelöst werden. Denn Sauerkraut wie auch Sauerrüben benötigen eine spezielle Folie als Verpackungsmaterial. Es steckte also viel Planung und ein grosser Mehraufwand dahinter, bis die Dreyer AG ihr Sauerkraut aus ausländischem Chabis herstellen konnte. Da Dreyers einen Produzenten haben, der für sie das ganze Jahr über Chabis liefern kann, hofft David Dreyer, dass die Saison mit inländischem Chabis abgeschlossen werden kann. Dieser wird im nächsten Jahr bei Saisonbeginn verkauft, bevor die neue Ernte die Gärungszeit hinter sich gebracht und zu Sauerkraut herangereift ist. Dies dauert durchschnittlich 20 Tage, bei kälteren Temperaturen etwas länger. Denn die Firma Dreyer setzt auf die Spontangärung, also die Gärung ohne Zusatz von Starterbakterien.

Das Kundenverständnis ist notwendig

David Dreyer hofft nun, dass Abnehmerinnen und Kundschaft Verständnis zeigen und das im Seeland hergestellte Sauerkraut trotz ausländischem Rohstoff kaufen. Und noch etwas macht ihm Sorgen. In den letzten Jahren sei immer mehr ausländisches Sauerkraut auf den Markt gestossen, bei dem seine Firma preislich nicht mithalten könne. «Ich möchte dieses Importwesen verdrängen», erklärt er. Dreyer macht deutlich, dass er nachhaltig mit Schweizer Bauern produzieren wolle. Dabei müsse der Preis für seine Firma, aber auch derjenige für die Bauern, stimmen. Zu 90 Prozent bezieht die Dreyer AG ihre Ware aus einem Umkreis von rund 15 Kilometern um den Firmensitz im Seeländer Dorf Gerolfingen herum. Der Rest stammt aus dem Gürbetal. Das Wetter hat also dem Chabis stark zugesetzt. Etwas besser sieht die Situation bei den Rüben aus.

Ausgang bei den Rüben ist noch ungewiss

Wegen der nassen Verhältnisse wurden diese später als sonst gesät. Die erste Ware sehe zwar gut aus. Wie es dann qualitativ und auch mengenmässig bis zum Schluss der Produktionssaison aussehe, könne noch nicht gesagt werden. Die Produktion von Sauerrüben startet nächste Woche. Für die Zukunft hofft David Dreyer, wie wohl so manche Landwirtin auch, auf bessere Wetterverhältnisse. 

Die Situation bei Schöni Swissfresh  AG und Thurnen Sauerkraut

Auf Chabisimporte angewiesen sind auch die Firmen Schöni Swissfresh AG, Oberbipp, sowie Thurnen Sauerkraut AG, Mühlethurnen. Dies bestätigt Walter Heer, Leiter Operatives bei der Schöni Swissfresh AG im Namen beider Firmen. Bereits vor über zehn Jahren wurde Thurnen von Schöni übernommen. Die Schöni Swissfresh AG hat 700 Tonnen Importchabis beantragt und auch bewilligt bekommen. Ein Schritt, der nur ungern gemacht wurde, erklärt Walter Heer.

Der Import widerstrebt 
«Unsere Philosophie ist klar, Schweizer Ware zu verarbeiten. Wir haben kein Interesse an Import. Wir sind Schweiz, sind teurer aber hoffentlich auch besser als die ausländische Ware.» Der Import widerstrebe der Firma. Es sei alles aufwendiger, da die Schöni Swissfresh AG nicht auf Import ausgerichtet sei. Ziel sei es, aus qualitativen Gründen möglichst nur frischen Weisskohl zu importieren. Ob das jedoch möglich sei, weiss Walter Heer zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Die Abnehmer wurden vorgängig informiert, dass aus den bekannten ­Gründen vorübergehend auf Importware umgestellt werden musste. Und auch der Endverbraucher werde auf den Packungen transparent informiert.

Die Produktion wurde vorübergehend stillgelegt
Thurnen Sauerkraut führt ein eigenes Sortiment, erklärt Walter Heer. Normalerweise laufe auch die Produktionsstätte in Mühlethurnen. Heuer jedoch nicht, der Betrieb in Mühlethurnern wurde vorübergehend stillgelegt. Denn das Gürbetal habe weitaus grössere Unwetterschäden zu verzeichnen als im Einzugsgebiet der Schöni Swissfresh AG im Oberaargau.