Frau Basler, landwirtschaftliche Zentren, das Forum Ackerbau, HAFL, Agroscope, die ETH und private Firmen publizieren laufend Ergebnisse aus Feldversuchen. Wie behält man da als Landwirt den Überblick?
Sonja Basler: Als Landwirt muss man wissen, welche Antworten man sucht. Versuche können allgemeine Zusammenhänge oder Grundlagen aufdecken oder sie können konkrete Empfehlungen für die Praxis liefern. Die Vielzahl der Versuche erlaubt es, ein Gesamtpaket zu schnüren.


Welche Rolle spielen die kantonalen landwirtschaftlichen Zentren und das Forum Ackerbau?
Wir führen Praxisversuche in direkter Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsbetrieb der Liebegg und auch mit Betriebsleitern in anderen Regionen des Kantons durch. Dabei wollen wir eine Brücke zwischen der Forschung und der Praxis schlagen und anschauliche Resultate vorzeigen können.


Was heisst das konkret?
Agroscope züchtet beispielsweise neue Weizensorten. Geprüft werden die neuen Sorten vor allem unter Extenso-Bedingungen um die Anfälligkeit gegen Krankheiten oder die Standfestigkeit zu testen. Wir führen zusammen mit der Branchenorganisation Swissgranum Versuche mit neuen und bewährten Sorten in unterschiedlicher Intensitäten (Extenso und ÖLN) an verschiedenen Standorten durch. Das ermöglicht dem Landwirt, die Ergebnisse eines einzelnen Versuchsstandortes herauszupicken, welcher mit der Situation auf seinem Betrieb vergleichbar ist. Der schweizweite Durchschnitt allein ist für den Einzelbetrieb nicht aussagekräftig.


Letztendlich müssen Landwirte also immer selber testen, was auf ihrem Betrieb tatsächlich funktioniert?
Ja, das lässt sich nicht delegieren. Die Versuchsresultate liefern zwar wertvolle Hinweise. Was das auf den eigenen Böden wert ist, zeigt letztendlich nur die Praxis. Genau darin liegt ja auch die Faszination: Im Ackerbau können wir Neues ausprobieren, ohne dass wir grosse Investitionen tätigen und Risiken eingehen müssen. Bei einem neuen Verfahren oder einer neuen Sorte empfehle ich immer eine teilweise Umstellung. Nur so kann der Bauer das neue mit dem alten vergleichen. Eine neue Sorte in einem guten Jahr ist immer eine gute Sorte. Empfehlenswert sind auch immer Behandlungsfenster, damit man die Wirkung eines Verfahrens gegenüber dieser Kontrolle sichtbar machen kann. Und: Bewährtes sollte man nicht mit fliegenden Fahnen aufgeben.


An Flurbegehungen wird selten Bahnbrechendes präsentiert, oft wird dafür die «gute landwirtschaftliche Praxis» aufgefrischt. Braucht es das überhaupt?
Nur wer die grundsätzlichen Zusammenhänge kennt, kann mit Massnahmen wie zum Beispiel mit einer Spätdüngung im Weizen die Qualität des Erntegutes verbessern. Passt zum Beispiel die gewählte Weizensorte nicht zum Standort, dann erreichen wir mit einer gezielten Stickstoffdüngung zum exakten Zeitpunkt wenig bis gar nichts. Eine neue Sorte beeinflusst die Saatmenge, den Saatzeitpunkt, die Bodenbearbeitung, die Düngung und den Pflanzenschutz. Darum müssen wir Details immer in ein System einbetten.


Welche Versuchserkenntnisse der letzten Jahre stechen für Sie besonders hervor?
Beim Raps reicht eine Saatdichte von 25 Körnern pro Quadratmeter aus. Auch die Bedeutung einer üppigen Herbstentwicklung beim Raps wird überschätzt. Ich bevorzuge dünne Bestände, die lieber etwas knapp entwickelt in den Winter gehen. Die Gefahr des Schossens bereits im Herbst, Auswinterungsschäden und auch der Krankheitsdruck sind dadurch kleiner und im Frühling kann man dann richtig Gas geben.


Ergebnisse aus der Forschung werden nur zögerlich in der Praxis umgesetzt. Ist das verständlich oder frustrierend?
Das ist durchaus verständlich. Unser Job ist es, eine Auslegeordnung zu machen. Die Entscheidung liegt letztendlich beim Landwirt. Wofür er sich entscheidet, hängt von sehr vielen Faktoren ab, die jeder unterschiedlich gewichtet.
Wenn jemand mit Patentlösungen im Ackerbau daherkommt, ist in meinen Augen immer Skepsis angezeigt. Dennoch möchte ich die Landwirte ermuntern auch mal etwas Neues auszuprobieren. Und wir möchten mit unseren Versuchen den Einstieg erleichtern.


Der Einsatz von Hacke und Striegel ist aber nicht unbedingt neu.
Die Bevölkerung befasst sich im Moment sehr stark mit dem Pflanzenschutz in der Landwirtschaft. «So viel wie nötig, so wenig wie möglich» sollte hier – ganz getreu dem Gedanken der integrierten Produktion – die Devise sein. Die häufig im Voraus erstellten Spritzpläne und im Winter gemachten Mittelbestellungen entsprechen dem nicht wirklich.


Wir diskutieren heute intensiv über technische Ansätze zur Reduktion von Pflanzenschutzmittel. Mit Abstand am effektivsten wäre es, wenn wir auf unnötige Durchfahrten verzichten. Also ist es wichtig, Alternativen anschaulich aufzuzeigen, auch wenn sie altbekannt sind. Altbekannt ist nicht gleichbedeutend mit in den Köpfen präsent.


Ist die Agro-Chemie für Sie Partner oder Konkurrent?
Beides. Grundsätzlich wollen wir ja alle das gleiche: Den Landwirten gute Ratschläge für eine rentable Produktion geben. Der Anspruch unserer Kunden ist aber wahrscheinlich nicht bei allen gleich. Von den Firmenberatern erwarten einige Landwirte einfach eine «Geling-immer-Garantie». Für uns ist es auch etwas schade, dass Pflanzenschutz- oder Düngungsberater häufiger bei Landwirten zu Gast sein können als wir. Aber das liegt in der Natur der Sache. Die Landwirte sollten sich dabei einfach bewusst sein, dass diese Besuche nur vordergründig kostenlos sind.


Ist das Bedürfnis nach Flurbegehungen weiterhin intakt?
Ja, das zeigen die Besucherzahlen deutlich. Man muss jedoch zugeben, dass wir manchmal auch ein bisschen die «Vorgruppe» vor der Wurst sind. Das wissen wir, und bei der Wurst geht es dann nicht selten effektiv ums Eingemachte. Viele Gespräche und Diskussionen über Fachliches und auch über Gott und die Welt finden erst in diesem ungezwungenen Rahmen statt.


Wenn Sie einen eigenen Hof hätten: Wie sähe dieser aus?
Als Familienmensch schlägt mein Herz aufgrund meiner Herkunft für den klassischen gemischten Betrieb. Rein fachlich fände ich aber die Möglichkeiten auf einem spezialisierten Ackerbaubetrieb sehr spannend.