Welchen Hintergrund bringen die Lernenden mit, die eine EFZ-Ausbildung beginnen?

Ronald Jaudas: Die meisten Lernenden (rund 80 bis 90 Prozent) kommen mit einem bäuerlichen Hintergrund. Dies ist aber weder für das erfolgreiche Bestehen noch für die spätere Arbeitsmarktfähigkeit Voraussetzung.

Ausgebildete Landwirtinnen und Landwirte EFZ sind angesichts der vielfältigen Kompetenzen und Fähigkeiten gesuchte Arbeitnehmer, auch wenn sie nicht über einen eigenen Betrieb verfügen.

Was sind in den ersten Wochen die wichtigsten Lernzielen?

Zuerst gilt es, sich Grundlagen der nachhaltigen Lebensmittelproduktion anzueignen. Dazu gehört etwa die Haltung und Pflege von Rindvieh, die Aneignung von Pflanzenkenntnissen oder Einblicke in den Boden und dessen Bearbeitung.

Was interessiert die Lernenden am meisten?

Fragen zu Beginn ihrer Ausbildung zeigen, dass sich viele Lernende insbesondere für die Tierhaltung interessieren. Auch Maschinen liegen vielen am Herzen und sie bringen ein grosses Flair dafür mit.

Bei Lernenden auf dem zweiten Bildungsweg besteht auch ein spürbares Interesse an Zusammenhängen und Nachhaltigkeit.

Befassen sich die jungen Lernenden mit aktuellen Themen wie eben Klimawandel? Bringen die Lernenden eigene Fragen und Themen in den Unterricht?

Allgemeine Schlagwörter aus den politischen Diskursen sowie aktuelle Themen werden auch von den Lernenden aufgegriffen. Die Landwirtschaft ist direkt betroffen vom Klimawandel, und die Zusammenhänge werden auch gestützt auf den Bildungsplan selbstverständlich thematisiert. Dies im Gegensatz zu dem in der «Rundschau» vom 9. Oktober 2019 vermittelten Bild.

Und ja, eigene Fragen zum Erlebten werden immer wieder an die Lehrpersonen weitergegeben und diskutiert. Das ist das Schöne am Lehrerberuf.

In welcher Form werden aktuelle Themen im Unterricht behandelt?

Themen wie Pflanzen- oder Gewässerschutz werden sowohl an überbetrieblichen Kursen, als auch im klassischen Schulunterricht behandelt.

So werden gesellschaftlich bedeutsame Inhalte beispielsweise im Arbeitsumfeld (Klimawandel, Biodiversität, Gewässerschutz), im Allgemeinbildenden Unterricht (Mobilität, ökologischer Fussabdruck), aber auch im Pflanzenbau (Einfluss von Pflanzenschutzmittel auf Umwelt, Düngung und Gewässerschutz) und der Tierhaltung (Methan-Ausstoss, Kraftfuttereinsatz) thematisiert.

Am Inforama wurde letztes Jahr ein neues Wahlfach zum Thema Pflanzenschutz angeboten – das Interesse war aussergewöhnlich hoch. Aufgrund der eingegangenen Anmeldungen wissen wir, dass auch dieses Jahr die Klasse gefüllt sein wird.

Vor einigen Jahren hat das Inforama in Zusammenarbeit mit dem Strickhof damit begonnen, an allen Standorten gegen Ende des zweiten Lehrjahres eine anspruchsvolle Prüfung zum gesamten bis dahin vermittelten Stoff im Pflanzenbau durchzuführen.

Dieser beinhaltet Themen wie Kenntnisse von Unkräutern und deren Regulierung, Nützlingen, Einsatz von Düsen, Berechnung der Fahrgeschwindigkeit beim Spritzen, rechtliche Einschränkungen und das Resistenzmanagement bei Pilzbehandlungsmitteln.

Dies hat sich mittlerweile so weit entwickelt, dass der Test elektronisch am Notebook durchgeführt werden kann. Die Note fliesst ins Zeugnis ein.

Ab wann wird das Basis-Wissen vertieft und zum Beispiel auch in den grossen Zusammenhang der Diskussion rund um die Reduktion der Pflanzenschutzmittel gestellt?

Ohne Basiswissen ist selbstständiges Handeln im Sinn von Eigenverantwortung nicht möglich. Allerdings kommt die Umwelt bereits im ersten Jahr und die Biodiversität im ersten behandelten Kapitel zur Sprache.

Der Bildungsplan für den Beruf Landwirt enthält 48-Mal die Begriffe «Umwelt», «Ökologie/ökologisch» und «nachhaltig». Für ein Dokument, dessen Inhalt weniger als 40 Seiten umfasst, ist dies beachtlich! Der biologische Landbau ist im Unterricht wie auch in den Lehrmitteln integriert. Es wäre daher falsch, zu glauben, dass nur Bio-Lernende sich mit der mechanischen Unkrautregulierung befassen.

Im Gegenteil: Das Lehrmittel ist so aufgebaut, dass systematisch zuerst die mechanische und danach die chemische Unkrautregulierung behandelt wird. Alternativen zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und zum Ersatz durch weniger problematische Produkte werden in allen Lehrjahren thematisiert.

Auch die Folgen für die Umwelt werden besprochen, und zwar nicht nur im Zusammenhang mit dem Pflanzenschutz, sondern auch im Rahmen der Düngung (Stichwort Gewässerschutz und Ammoniakverflüchtigung), der Bodenbearbeitung (Lachgas-Emissionen) oder Tierhaltung (Wasserverbrauch, Methan-Ausstoss).

Seit wann unterrichten Sie am Inforama?

Von 2012 bis 2019 habe ich Pflanzenbau am Inforama unterrichtet, nun bin ich in der Führung der Grundbildung tätig.

Haben sich die Ansprüche der Lernenden in den letzten Jahren verändert?

Die Ansprüche der Lernenden sind höher geworden. Das ist nicht nur ein gesellschaftlicher Trend – wir haben in vielen Bereichen erhöhte, manchmal auch überhöhte Ansprüche im Vergleich zu früheren Generationen.

Denken wir nur an die Angebote im Verkehr oder im Supermarkt. Die Zweitausbildung und die berufsbegleitende Nachholbildung sind für viele jungen Menschen sehr attraktiv. Damit steigt das Durchschnittsalter.

Ältere Lernende haben teilweise recht genaue Vorstellungen über ihre Ziele, Werte, was guten Unterricht ausmacht und was sie erreichen wollen. Insofern sind Ansprüche spürbar. Ich habe diese Lernenden als sehr angenehmes, wissbegieriges Publikum erlebt. Das ist der Traum jeder Lehrperson.

Passen Sie Ihren Unterricht jedes Jahr an oder unterrichten Sie Basis-Wissen, das sich nicht gross verändert?

Guter Unterricht braucht Vorbereitung. Alle Lehrpersonen am Inforama sind angehalten, sich fachlich à jour zu halten. So fliessen aktuelle Medienberichte in den Unterricht mit ein – auch wenn die Pflanzennamen sich nicht verändern.

 

Verstaubte Ausbildung?

In der TV-Sendung «Rundschau» vom 9. Oktober 2019 wurde der Beitrag «Verstaubte Ausbildung: Junge Bauern lernen wenig über Nachhaltigkeit» ausgestrahlt. Darin wird die These aufgestellt, dass Artensterben, Food Waste und Klimawandel im Bildungsplan für angehende Landwirte und Landwirtinnen EFZ kaum Thema sei und konkrete Lernziele dazu fehlen.