Kurz & bündig

- Der Gemeinschaftsstall Churwalden ist eine Betriebszweiggemeinschaft BZG.
- Jeder Gemeinschafter besitzt seine eigenen Tiere und führt eine eigene Buchhaltung.
- Die Arbeitsbelastung sank deutlich mit der Fünf-Tage-Woche.
- Die Kosten werden teilweise gedrittelt und teilweise nach GVE aufgeteilt.
- Die Kühe werden in drei Milchleistungs-Gruppen gehalten.
- Die Milch jeder Kuh wird täglich gewogen und entsprechend gutgeschrieben.
- Jeder Gemeinschafter hat sich in der Mechanisierung spezialisiert und macht für die anderen Lohnarbeiten.

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Wer den 70 Meter langen Gemeinschaftsstall in Churwalden GR betritt, staunt nicht schlecht. Die schiere Grösse ist für Schweizer Strukturen ungewohnt – erst recht für das Berggebiet. Den Gemeinschaftsstall für 144 GVE bauten die Landwirte im Jahr 2006. Beteiligt waren Peter Hitz, Simon Brasser und Jörg Hagmann als Eigentümer sowie Hartmann Held im Mietverhältnis. 

DossierJahresthema 2021«Hand in Hand» – die Serie zum Thema ZusammenarbeitMittwoch, 27. Januar 2021 Ihr Gemeinschaftsstall ist ein voller Erfolg. An der ursprünglichen Organisation haben die Landwirte in den letzten 15 Jahren nichts geändert. Sogar der wöchentliche Planungs- und Büro-Montag, an dem alle Eigentümer gleichzeitig anwesend sind, findet konsequent statt. Und doch ist heute vieles anders. Denn Jörg Hagmann wurde pensioniert und eine Nachfolge für seinen Anteil am Gemeinschaftsstall musste gefunden werden.

Ein Nachfolger gesucht – zwei Nachfolgerinnen gefunden!

Seit Herbst 2020 bringen Nina Hitz (40) mit ihrem Partner Ruedi Schnider und ihrer Schwester Lena Hitz (35) frischen Wind in den Stall. Die Schwestern sind mit Peter Hitz verwandt.

Die beiden Landwirtinnen bewirtschafteten vorher den elterlichen Betrieb auf einem Stück Land, das auf fast allen Seiten steil abfällt. «Der ganze Hang bewegt sich auf diesem ‘Egga’», erklärt Nina Hitz. Das sei eine denkbar schlechte Ausgangslage, um dort in die Zukunft zu investieren.

Ein Augenmerk auf dem Gemeinschaftsstall hatte sie schon lange, schon als sich vor 15 Jahren die vier Landwirte als Gemeinschafter zusammentaten. «Damals war es für uns noch zu früh, um einzusteigen – doch nun ist es der richtige Zeitpunkt», sagt die Landwirtin Nina Hitz.

Die Schwestern brachten ihre Mutterkühe mit

Vor Antritt der Nachfolge gab es vieles zu klären. Denn einen Haken hatte die Geschichte mit den potenziellen Nachfolgerinnen: Die Hitz-Schwestern, einst angefressene Braunvieh-Züchterinnen, hängten den Melkstuhl im Jahr 2001 an den Nagel. Sie stellten auf Mutterkühe und Direktvermarktung um. Ein Standbein, das auch im neuen Stall Platz finden sollte.

«Wir mussten uns erst mit dem Gedanken «Mutterkühe» anfreunden», sagt Peter Hitz und lacht. Ganz so hätten sie sich das nicht vorgestellt, sagt er. Doch die Landwirte und Landwirtinnen konnten sich einigen. «In einem Gemeinschaftsstall gehört es dazu, Kompromisse einzugehen», sagt Peter Hitz. Den Gemeinschaftern war es wichtig, dass die Mutterkühe gut in die bestehenden Arbeitsabläufe hineinpassen.

Die Hitz-Schwestern übernahmen einen Teil von Hagmanns Milchkühen und beteiligen sich an den Kosten für die Melktechnik zu gleichen Teilen wie Brasser und Hitz. Denn die Kosten bleiben die gleichen, ob nun 80 oder 120 Kühe gemolken werden.

Jeder Gemeinschafter führt eine eigene Buchhaltung

Ein Gemeinschaftsstall ist eine Betriebszweiggemeinschaft. Alle Beteiligten sind Eigentümer des Gebäudes und der Anlagen, aber jeder besitzt seine eigenen Tiere. Der Gemeinschaftsstall ist nicht zu verwechseln mit einer Tierhaltergemeinschaft, bei der alle Tiere den Gemeinschaftern gemeinsam gehören.

Die drei beteiligten Parteien Peter Hitz, Simon Brasser und das Schwestern-Duo mit Ruedi Schnider führen je eine eigene Buchhaltung. Manche Kosten werden durch drei geteilt, etwa die Kosten für die Melkmaschine, der Gebäudeunterhalt oder Verbrauchswaren wie Verbandsmaterial und Putzmittel. Die Strohkosten und die Stromkosten werden durch die Anzahl GVE aufgeteilt. Anders verhält es sich beim Heu. Jeder Gemeinschafter bewirtschaftet seine eigenen Flächen und verkauft dem Gemeinschaftsstall seinen Anteil Heu.

Bei der Mechanisierung sind alle Gemeinschafter spezialisiert und machen untereinander Lohnarbeiten zu Agroscope-Maschinenkosten-Tarifen. Simon Brasser ist stark in der Transport- und Hangmechanisierung, Nina und Lena Hitz haben einen schlagkräftigen Traktor und machen Siloballen-Transporte und Peter Hitz presst und wickelt sämtliche Siloballen.

Gemeinsame Maschinen haben die vier nicht, ausser den festen Anlagen, wie zum Beispiel das Melkkarussell, das zum Stall gehört. Kosten, welche sich auf ein Tier zurückführen lassen, werden dem Besitzer des Tieres in Rechnung gestellt: beispielsweise die Tierarztkosten und die Futterkosten. Die Kühe sind in drei Milchleistungsgruppen eingeteilt, somit erhält jede Gruppe eine günstigere oder teurere TMR. Jeder Gemeinschafter kann für jede seiner Kühe entscheiden, in welcher Leistungsgruppe er diese haben möchte und welche Strategie er mit ihr verfolgt.

Die Milch jeder Kuh wird im Melkstand gewogen, das Milchgeld dem entsprechenden Gemeinschafter gutgeschrieben. Auf die Frage, ob diese Rechnerei nicht höllisch kompliziert sei, verneinen die Gemeinschafter. Der SBV Brugg entwickelte für den Gemeinschaftsstall Churwalden ein spezielles Computer-Programm zur Verrechnung der Leistungen.

Betreffend Kosten-Einsparungen profitiert der Gemeinschaftsstall vor allem durch die Skaleneffekte. Beispielsweise Kraftfutter und Mineralstoffe können sie durch Grossbestellungen zu günstigeren Konditionen einkaufen. «Und die Investitionskosten für den Stall und die Melkanlage im Jahr 2006 kam mit 16'000 Franken pro GVE viel günstiger, als wenn jeder selber gebaut hätte», sagt Peter Hitz.

Jeder Gemeinschafter hat eine Fünf-Tage-Woche

Grundsätzlich arbeitet jeder Gemeinschafter gleich oft im Stall. Und weil jeder seinen Anteil Milchgeld erhält, erübrigt sich eine Art «Stundenlohn», der vom Gemeinschaftsstall ausbezahlt wird. Auf die Frage, ob die Arbeit fair verteilt ist, sagt Hitz, dass es meistens stimme. «Und sonst sind die Montags-Besprechungen dazu da, etwaige Ungereimtheiten und auch Zwischenmenschliches zu besprechen.» Wenig beliebte Arbeiten, wie Klauenschneiden oder Kühe scheren, machen die Gemeinschafter zusammen.

Jeder hat eine Fünf-Tage-Woche, ja sogar noch etwas weniger. Denn der Turnus lautet: vier Tage arbeiten – zwei Tage frei. Dienst habe man immer zu zweit, also einer melkt, der andere füttert und macht die Liegeboxen.

Die Hauptverantwortungsbereiche haben die Gemeinschafter aufgeteilt: Peter Hitz ist verantwortlich für die Technik, Simon Brasser für das Büro und die Hitz-Schwestern für die Tiergesundheit. «Gut möglich, dass die Hitz-Schwestern unsere Tierarztkosten massgeblich senken», sagt Peter Hitz und schmunzelt. Denn die beiden Landwirtinnen seien in Sachen Tiergesundheit sehr schnell und konsequent. Zudem ist Lena Hitz ausgebildete Tier-Homöopathin.

Interessant auch für die nicht-landwirtschaftliche Bevölkerung

Die stolzen Stallbesitzer lassen sich gerne in die Karten schauen. «In den letzten 15 Jahren hatten wir etwa 15'000 Besucher hier», schätzt Peter Hitz. Vor allem in den ersten Jahren fuhr fast jede zweite Woche ein Car mit Besuchern auf. Auch die nichtlandwirtschaftliche Bevölkerung interessiere sich für diese Art der Zusammenarbeit. Für die Gemeinschafter ist es selbstverständlich, dass man sich die Zeit nimmt und Besuchern einen Einblick ermöglicht – auch wenn diese ohne Voranmeldung plötzlich vor der Stalltür stehen.

Viele Schultern tragen die Verantwortung

Das Interesse ist gross, und doch sind Gemeinschaftsställe selten. Warum das? Peter Hitz sagt, dass wohl viele sich nicht trauten aus Angst, ihre Selbstständigkeit zu verlieren. Denn wenn man etwas ändern oder investieren möchte, brauche es einen Konsens zwischen allen Beteiligten.

«Ich denke, ein grosser Vorteil am Gemeinschaftsstall ist, dass die ganze Verantwortung für die Tiere und für den Betrieb auf mehreren Schultern liegt, und nicht nur auf den eigenen», sagt Nina Hitz und ergänzt: «Bin ich krank, weiss ich, dass hier alles weiterläuft – der Betrieb steht so auf mehreren Säulen.»

Alle sind sich einig, dass es bereichernd ist, Ideen und Meinungen untereinander auszutauschen. «Und zusammen haben wir viel mehr Möglichkeiten», sagt Simon Brasser. Investitionen, die einer alleine niemals tätigen könnte, können sie als Gemeinschaftsstall absolut in Betracht ziehen. Die Investitionssumme ist besser zu stemmen und die Auslastung sei mit der höheren Anzahl Tiere viel besser. Auf die Frage, was sie denn im Schild führen, folgt allgemeines Schmunzeln und Simon Brasser erklärt: «Wir testen seit zwei Wochen einen Futterzuschieber, quasi einen neuen Mitarbeiter.» Ob denn bereits Konsens herrsche? Es werden vielsagende Blicke ausgetauscht. Der Konsens scheint am Entstehen zu sein.

Zusammen ein neues Gebäude bauen ist der Idealfall

Man merkt es Brasser und Hitz an, wie viel Freude ihnen der Gemeinschaftsstall auch nach 15 Jahren noch immer macht. Letzterer sagt sogar: «Ganz ehrlich, ich weiss nicht, ob ich heute noch einen grossen Betrieb im Alleingang führen würde, hätten wir damals nicht zusammen investiert.»

Die Ausgangslage war damals ideal. Peter Hitzs Stall entsprach nicht mehr den Tierschutzvorschriften, er musste investieren. Nach Anfrage beim Plantahof folgte ein Informationsschreiben an alle Landwirte in der Region. Alle Interessierten, eine Gruppe von etwa acht Landwirten, besichtigten in der Folge verschiedene Formen von Zusammenarbeiten. Manche stiegen aus, andere blieben. Am Ende waren es Hitz, Brasser und Hagmann, die den Schritt in die Zusammenarbeit wagten. «Die Ausgangslage war ideal, weil wir alle drei Investitionsbedarf hatten», erklärt Brasser.

Peter Hitz ist überzeugt, dass es einfacher und besser ist, zusammen in ein neues Gebäude zu investieren, als mit den alten Gebäuden an verschiedenen Standorten etwas zu machen. Man könne in alten Gebäuden bestimmt ein paar Arbeiten optimieren, aber eine wesentliche Arbeitsentlastung umzusetzen sei unmöglich.

Mit zwei Macherinnen in die Zukunft

Mit dem Einstieg der Hitz-Schwestern und Ruedi Schnider ins Team des Gemeinschaftsstalls sind Simon Brasser und Peter Hitz sehr zufrieden. «Es war uns wichtig, jemanden zu finden, der ähnlich tickt wie wir. Es braucht in einem Gemeinschaftsstall eine gewisse Grosszügigkeit», sagt Hitz.

Denn wenn man jeden Rappen umdrehen würde, stimme es am Ende trotzdem nicht ganz genau, und erzeuge nur unverhältnismässig viel Büroarbeit. Und wenn jemand einmal zwei Stunden mehr arbeite, müsse man tolerant sein. «Wichtig ist vor allem, dass die Kosten fair verteilt sind», sagt Peter Hitz.

Die beiden Schwestern freuen sich, ihre Projekte im Gemeinschaftsstall Churwalden in Angriff zu nehmen. Um was es sich genau handelt, bleibt vorerst Betriebsgeheimnis, denn Gesuche und Abklärungen sind noch im Gang. Direktvermarktung wird bestimmt ein Thema, denn der Stall ist verkehrstechnisch sehr gut gelegen. Die beiden Frauen sind echte Macherinnen und die Herren Hitz und Brasser freuen sich über den frischen Wind und die Ideen. «So geht es immer vorwärts», sagt Simon Brasser. Er und Peter Hitz werden die beiden Schwestern in ihren Projekten tatkräftig unterstützen.

Auch Nina Hitzs Partner Ruedi Schnider bringt seine Stärken optimal ein. Er tüftelt und verbessert die Hangmechanisierung zusammen Gian Hitz, dem Sohn und baldigen Nachfolger von Peter Hitz. Denn dieser wird in drei Jahren pensioniert.

«Ich würde gerne noch ein wenig im Angestelltenverhältnis auf dem Betrieb weiterarbeiten», sagt Peter Hitz. Aber darauf die Verantwortung ganz zu übergeben, darauf freue er sich. «Wir haben unsere Arbeit getan», sagt Peter Hitz, «jetzt sind die Jungen an der Reihe».

 

Betriebsspiegel der BZG «Gemeinschaftsstall Churwalden»

Peter Hitz, Simon Brasser, Nina Hitz mit Partner Ruedi Schnider und Schwester Lena Hitz, Churwalden GR
Lage: Bergzone 3 auf 1300 m ü. M.
LN: 150 ha
Tierbestand: 70 Braunvieh-Kühe, 50 Stück Jungvieh, 35 Kälber, 5 Mastochsen, 16 Mutterkühe plus Kälber
Gemeinschafts-Stall: 30 m × 70 m Boxen-Laufstall mit drei Reihen Tiefstreu-Liegeboxen für Milchvieh. Boxen-Reihen für das Jungvieh. Angebauter Laufhof und Melk-Zentrum mit 16er Melk-Karussell. Mutterkuhstall mit zwei Tiefstreu-Liegebereichen, Laufhof und Kälberschlupf.
Brutto-Baukosten: 2,3 Mio Franken oder 16 000 Franken pro GVE-Platz.
Rechtsform: Einfache Gesellschaft mit schriftlichem Vertrag.
Arbeitskräfte: Die Eigentümer
www.gemeinschafsstall-churwalden.ch

 

Ziele des Gemeinschaftsstalls Churwalden

- Wirtschaftliche Milch- und Fleischproduktion
- Rationelle Stallarbeiten und arbeitsmässige Entlastung der Landwirte und ihrer Familien
- Mehr Freizeit und Flexibilität und damit mehr Lebensqualität für die Landwirte und Bauernfamilien (Nebenerwerb, Freizeit/Ferien)
- Öffnung des Stalles für den Tourismus und die Bevölkerung durch Einbau eines Laufsteges und eines Gemeinschaftsraumes
- Wirtschaftlich/kostengünstig Milch und Fleisch produzieren in einem modern eingerichteten, tierfreundlichen Laufstall
- Professionalisierung der Milchproduktion und Aufteilung der Verantwortung nach persönlichen Stärken der Partner

 

Organisation im Gemeinschaftsstall

Futter:
Jeder Partner ist für die Futterbeschaffung (Heu/Emd, Grassilage) selbst verantwortlich. Die abzuliefernde Futtermenge bemisst sich nach seiner Tierzahl. Das Futter wird vom Gemeinschaftsstall abgekauft und gutgeschrieben.

Milch: Die gemolkene Milch jeder Kuh wird im Melkstand täglich gemessen und dem betreffenden Partner gutgeschrieben.

Fütterung: Die Kühe sind in drei (Milch-)Leistungskategorien eingeteilt und er-halten ihr vorgemischtes Futter als Totalmischration (Heu, Emd, Grassilage und Kraftfutter).

Dünger:Jeder Partner muss entsprechend seiner Tierzahl die Hofdünger (Gülle und Mist) auf seine Flächen verteilen.

Verantwortung:Jeder Partner ist im Stall für einen Verantwortungsbereich zuständig: Fütterung, Melkstand/Einrichtungen, Tiergesundheit und Tierbeobachtung, Abrechnung und Administration.

Stallarbeit: Die täglichen Stallarbeiten werden von zwei Partnern erledigt. Der Turnus lautet: Vier Tage arbeiten, zwei Tage frei.

Abrechnung: Alle Leistungen der Partner (Futter, Milchmengen, Arbeitstage, usw.) werden exakt und laufend miteinander verrechnet. Ende Jahr wird eine Jahresabrechnung erstellt. Zur Verrechnung der Leistungen wurde vom SBV Brugg ein eigenes Computer-Programm entwickelt.

Quelle: www.gemeinschaftsstall-churwalden.ch